Eine patente Frau

Die eigene Patentanwaltskanzlei führen und gleichzeitig angestellt für einen großen japanischen Hersteller von Test- und Messgeräten sowie von Systemen arbeiten? Für Sandra Schneider ist diese 50:50-Kombination selbstgewählter und zutiefst erfüllender Berufsalltag.

MINT-Berufe Frauen Portrait

Sandra Schneider

Diplom-Ingenieurin und Elektrotechnikerin

Eine ältere Frau mit blonden Haaren und einem Zopf steht vor einer Wand. Im Hintergrund sieht man eine 50 als Skulptur

Als Diplom-Ingenieurin und Elektrotechnikerin hat sich die 54-Jährige einst auf Patentrecht spezialisiert und genießt es, für diese Tätigkeit in ständigem Austausch mit Menschen zu sein – sowohl im täglichen Geschäft als auch auf nationalen und internationalen Dienstreisen und Konferenzen. Als Karrierefrau im männerdominierten MINT-Feld liegt es der sportlichen Stuttgarterin vor allem am Herzen, weibliche Erfolgsgeschichten sichtbar zu machen. So erzählt sie in diesem Porträt ihre eigene, um anderen Frauen Mut zu machen, selbstbewusst ihrer Leidenschaft zu folgen.

Über Mathe und Physik zur Elektrotechnik – und schließlich zum Patentrecht

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie sind Sie zu Ihrer Tätigkeit im MINT-Bereich gekommen? Gab es einen konkreten Startpunkt für Ihr Interesse an diesem Feld?

Sandra Schneider: Seit jeher habe ich Freude daran, durch Beobachten, Nachdenken und Umsetzen Dinge entstehen zu lassen. In der Schule waren es der Mathematik- und Physikunterricht, die mich fesselten. Um in diesem Kontext direkt auf das wichtige Thema weibliche Vorbilder im MINT-Bereich zu kommen: In der Mathematik hat mich die Begeisterung einer Mathematiklehrerin für das Fach angesteckt. In der Physik hingegen war es ein Thema, das mich besonders fasziniert hat: die Elektrizitätslehre.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Nun arbeiten Sie ja heute erfolgreich als Patentanwältin – zur Hälfte in Ihrer eigenen Kanzlei, zur anderen Hälfte bei der Yokogawa Deutschland GmbH. Können Sie uns Ihren Weg dorthin beschreiben?

Sandra Schneider: Zum Ende der Schulzeit hin habe ich mich über mögliche Studiengänge informiert, in Vorlesungen hineingeschnuppert und mich mit Studenten unterhalten und kam zu dem Entschluss, dass Elektrotechnik, darin die Nachrichtentechnik, am besten zu mir passen würde. Jura stand als weitere ernsthafte Option im Raum, da das Fach ebenfalls auf logische Zusammenhänge aufbaut. Für mich war damals aber die Technik konkreter greifbar als die Rechtswissenschaft, weshalb ich diese Richtung einschlug. So schrieb ich mich am Karlsruher Institut für Technologie für den Diplomstudiengang ein, den ich nach einem Auslandsjahr an der University of Essex schließlich mit einer Diplomarbeit an der ESIEE Paris abschloss. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei der Daimler AG ließ ich mich zur Patentanwältin ausbilden. Bei SONY konnte ich mich zur Führungskraft entwickeln. Der herausfordernde und zugleich beste Schritt war der Sprung in die Selbständigkeit, den ich 2018 gewagt habe. Unternehmerin zu sein, ist sehr lohnend und macht riesigen Spaß. Täglich kann ich eine große Anzahl an Entscheidungen treffen, die mein Unternehmen voranbringen und direkt zu dessen Erfolg beitragen. Dennoch schätze ich auch meine Teilzeittätigkeit bei Yokogawa, die meine Tätigkeiten vielfältiger macht und für Abwechslung sorgt.

Die Mischung macht’s – genau so wie der ständige Wandel

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie kombinieren Sie Ihre Angestelltentätigkeit mit der Selbständigkeit? Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Sandra Schneider: Da mein Arbeitgeber in Japan angesiedelt ist und der Zeitunterschied sieben Stunden beträgt, bin vormittags ausschließlich für Yokogawa im Einsatz. Zu meinen Aufgaben zählt neben dem Durchführen von Video-Konferenzen mit Kollegen in Japan und in Europa die Entwicklung von Strategien für Intellectual Property (IP), die sich mit den Themen Unternehmenslenkung und -führung befassen, um IP im Unternehmen zu verankern. Darüber hinaus betreue ich neue Erfindungen des Unternehmens in den Bereichen Videobearbeitung, KI, Wasserstoff-Technologien, Biotechnologie oder Management von Energieerzeugungsanlagen für erneuerbare Energien, wozu auch die Verfahrensführung vor den Patentämtern zählt. Am Nachmittag widme ich mich dann meistens den Mandanten meiner eigenen Kanzlei. Hierzu zählen der Entwurf von Patentanmeldungen, das Führen von Lizenzverhandlungen, die Durchführung von Video-Konferenzen mit Kunden und Erfindern sowie die Kanzleiführung im Allgemeinen.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Was macht Ihnen an Ihrem Beruf besonders viel Spaß? Welche Soft- und Hard-Skills sind unabdingbar?

Sandra Schneider: Ich schätze die intellektuelle Herausforderung, die ich konstant erfahren darf, und auch den ständigen Umgang mit Neuem. In diesem Job bleibt man immer auf der Höhe der Zeit. Was ich auch sehr mag, ist die Tatsache, dass ich dauerhaft gefordert bin, Entscheidungen zu treffen. Außerdem schätze ich die Internationalität des Berufes und den ständigen Austausch, der sich ergibt, bspw. auf den zahlreichen Konferenzen in Deutschland und Europa, die ich besuche. Viel unterwegs zu sein, das macht mir Freude. Oft bin ich für Yokogawa auf Geschäftsreisen – in Europa ebenso wie in Japan. In diesem Rahmen gehe ich gezielt auf Veranstaltungen, wo ich Start-Ups kennenlernen kann, da IP gerade in der Gründungsphase wesentlich ist. Für all das braucht es vor allem ein Faible für das Nachdenken und Problemlösen. Auch eine gewisse Strukturiertheit, interkulturelle Kompetenz und Einfühlvermögen sollten mitgebracht werden.

Chancengleichheit und Leidenschaft fürs Business – und niemals aufgeben

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Kommen wir nun zu dem Thema, das Sie in Ihrer ersten Antwort bereits angeteasert haben: Frauen in MINT-Berufen. Wie haben Sie Ihre Ausbildung und Ihre Berufsstationen erlebt? Spielte dabei Ihr Geschlecht eine Rolle?

Sandra Schneider: Dazu kann ich direkt sagen, dass ich rückblickend ein Studienfach wählen würde, in dem bereits mehr Frauen vertreten sind und waren, die bereits zum Abbau von Vorurteilen beigetragen haben. Deshalb würde ich, wenn ich nochmals wählen müsste, eher Jura studieren. Denn ich nehme in meinem Feld wahr, dass es Frauen darin schwerer haben, sich zu entwickeln und die Karriereleiter aufzusteigen. Trotzdem kann ich sagen, dass ich die Zeit der Ausbildung sehr genossen habe. Hier kam es zu jeder Zeit auf die Leistungen in den Prüfungen an.

Eine ältere Frau mit einer Brille, einem Zopf und blonden Haaren steht vor einer weißen Wand und trägt einen Blazer

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern, damit sich mehr junge Frauen für eine Karriere im MINT-Bereich entscheiden?

Sandra Schneider: Ganz klar muss eine gleiche Bezahlung gewährleistet werden – denn letztlich geht es um die geleistete Arbeit, nicht um das Geschlecht. Auch die Aufstiegschancen für Frauen sollten in gleichem Umfang wie für Männer gegeben sein. Es ist wie überall im Leben: sobald ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, ist das schon einmal ein Anfang. Wenn diese Vorurteile und Stereotypen ins Bewusstsein vieler rücken, kann positive Veränderung passieren. Zudem ist es wichtig, auch die zahlreichen Erfolgsgeschichten von Frauen in diesem Feld sichtbar zu machen – denn es gibt schon jetzt ganz viele davon.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Möchten Sie zuletzt noch ein persönliches Motto teilen, mit dem Sie als Frau in einem MINT-Beruf durch den Berufsalltag gehen? Verraten Sie gerne auch einen persönlichen Tipp für junge Frauen und Mädchen, die in dieser Branche erfolgreich werden wollen.

Sandra Schneider: Ich denke, der Leitspruch, der mich trägt, gilt für jeden Beruf: Wähle deine Leidenschaft, und du wirst nie wieder arbeiten müssen. Und mein Ratschlag zum Schluss: Einfach ausprobieren, machen – und vor allem weitermachen.

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