Biologie meets Informatik

Wenn der Vater das große Interesse für Naturwissenschaften fördert und die Schwester vorlebt, dass Informatik richtig Spaß machen kann, eröffnet sich ein individueller Weg in neue Felder. Als bioinformatische Analystin bei der Computomics GmbH verbindet Michelle Hagen zwei Leidenschaften und schätzt den Aspekt des lebenslangen Lernens, den ihr Beruf mit sich bringt.

MINT-Berufe Frauen Portrait

Michelle Hagen

Bioinformatische Analystin

Eine junge Frau mit roten Haaren spricht in ein Micro.

Vom Reagenzglas oder Rechner – alte Liebe und neue Leidenschaft.

Wie das Leben funktioniert, wollte die 27-jährige schon als Kind verstehen. Von der Biologie bereits früh in den Bann gezogen, experimentiert sie gemeinsam mit ihrem Vater mit Chemiebaukästen und saugt neues Wissen, beispielsweise wie Vulkane und Gewitter entstehen, begeistert auf. Während der Schulzeit bleibt ihr Ziel, in die biomedizinische Forschung zu gehen und an der Heilung von Krankheiten zu forschen, unerschütterlich. Was die Abiturientin schließlich auch zum Studium der Biomedizinischen Wissenschaften in Reutlingen bewegt. Als die Studentin jedoch tiefer in den Laboralltag eintaucht, stellt sie schnell fest, dass ihr bei der reinen Laborarbeit auf Dauer etwas fehlen würde und sie sich nicht vorstellen kann, ihr Berufsleben ausschließlich im Labor zu verbringen

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„Ich wollte den Bezug zur Biologie behalten, aber eine andere ebenso vielseitige Richtung einschlagen.“

Die entscheidende Inspiration kommt schließlich von ihrer Schwester: „Sie hat als Zweitstudium Medien- und Kommunikationsinformatik gewählt und mir gezeigt, dass man kein klassischer „Computer-Nerd“ sein muss, um Freude an Informatik zu finden. Das machte mir Mut, mich auf die Bioinformatik einzulassen und dort meine Leidenschaft zu finden – auch wenn Informatik für mich zunächst ein Fremdwort war.“

Perfektes Match – ein Master, der beides verbindet.

In diesem Prozess stößt die Bachelor-Absolventin auf den Masterstudiengang Bioinformatik und Systembiologie, eine Kooperation zwischen der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Hochschule Mittelhessen, die eine perfekte Verbindung ihrer Interessen ergibt. „Auch wenn das Studium anspruchsvoll war, ermöglichte es mir, mit meinem biologischen Hintergrund die notwendigen (bio)informatischen Grundkenntnisse in wenigen Semestern zu erlernen. Mir hat sich an dieser Stelle also ein Weg eröffnet, den ich mir gegen Ende meiner Schulzeit noch nicht zugetraut hätte, der im Nachhinein aber perfekt zu mir und meinen Interessen gepasst hat.“ Als besonders prägend ordnet Michelle Hagen die praktischen Erfahrungen ein, die sie im Rahmen ihres Masterstudiums sammeln durfte. Neben einem Auslandspraktikum an der Stockholm University, das ihr nach den „Corona-Semestern“ die Chance gab, in einer aufregenden Stadt den Forschungsalltag einer Bioinformatikerin kennenzulernen, nennt sie in diesem Kontext auch das erste Firmenpraktikum bei ihrem heutigen Arbeitgeber, bei dem sie direkt nach dem Studium einsteigt. Erste spannende Einblicke in die Metagenomik und Datenanalyse, die sie dort gewinnen konnte, bewegen die Studentin dazu, ihre Masterarbeit in diesem Unternehmen zu schreiben – und das mit sehr gutem Ergebnis: „Der Fokus lag auf Metagenomik und Machine Learning. Das Projekt war so erfolgreich, dass wir die Ergebnisse später sogar als Paper veröffentlichen konnten.“ Was sie neben dieser Errungenschaft noch mit in den Berufsalltag nehmen kann und bis heute sehr schätzt?

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„Bioinformatik ist extrem vielfältig. Man kann neue Tools entwickeln, Workflows aufbauen, riesige Datenmengen analysieren und bleibt trotzdem nah an interessanten biologischen Fragestellungen. Hierbei muss man nicht in jedem Bereich Expertin sein, sondern die wichtige Fähigkeit besitzen, sich neues Wissen schnell anzueignen. Dieses lebenslange Lernen macht den Beruf für mich so spannend.“

Kreativ, interdisziplinär und lösungsorientiert – ein Beruf mit vielen Facetten.

Was sie als Young Professional konkret an der Computomics GmbH schätzt, ist das kleine, internationale Team, in dem sie sich direkt persönlich wohl und bereits während des Studiums fachlich kompetent betreut gefühlt hat. Dank flacher Hierarchien und direkter Kommunikationswege kann man hier schnell Verantwortung übernehmen und eigene Ideen einbringen, und auch die Projekte sind vielfältig:

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„Einerseits entwickle und pflege ich im Bereich Metagenomik unsere internen bioinformatischen Pipelines, andererseits zählen die Analyse und Aufbereitung von komplexen, pflanzenzüchtungsspezifischen Datensätze zu meinem Tätigkeitsfeld. Außerdem wirke ich an Machine-Learning-Projekten und Forschungsprojekten mit, was meine Arbeit zusätzlich bereichert.“

Parallel zur eigenständigen Arbeit oder der in kleinen Teams pflegt sie auch Kundenkontakt und konnte sich bereits im Bereich Projektmanagement weiterbilden, was vor allem in agilen Teamprojekten von Vorteil ist. Auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sowie die neuen Perspektiven und Ideen, die sich daraus ergeben, liegen Michelle Hagen am Herzen. Deshalb kommt sie mehrmals in der Woche ins Büro, trotz Homeofficeoption. Freude bringt ihr zudem die Tatsache, dass sie sich mit ihrer Arbeit kreativ ausleben darf: „Das gilt sowohl beim Programmieren als auch beim Entwickeln von Dashboards oder kleineren Analyse-Apps, bei denen ich großen Wert darauf lege, dass sie nicht nur praktisch, sondern auch ansprechend und benutzerfreundlich gestaltet sind. Auf diese Weise vereine ich meine Leidenschaft für Wissenschaft, meine Freude an kreativen Aufgaben und den Problemlösungsansatz des Programmierens.“

Von der Naturwissenschaft geführt – und der Kunst inspiriert.

Mit diesem Faible für die visuelle Umsetzung ihrer Ideen hätte sich die leidenschaftliche Hobby-Künstlerin auch eine Tätigkeit in einem kreativen Berufsfeld, wie beispielsweise Grafikdesign, gut vorstellen können. „Meine Entscheidung für den naturwissenschaftlichen Weg bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ich auf Kreativität verzichten muss. Schon während des Studiums habe ich mit Freude Grafiken für Publikationen und Posterpräsentationen erstellt. Obwohl ich aktuell viel „Backend“-Arbeit übernehme und funktionale Codes entwickle, kann ich meine künstlerische Seite immer einbringen.“

Eine junge Frau in einem weissen Oberteil steht vor einer Hecke und lächelt in die Kamera.

Auch ihren Entschluss, auf eine Promotion zu verzichten und den direkten Berufseinstieg zu wählen, bereut Michelle Hagen bis heute nicht. „Während des Studiums war ich zeitweise unsicher, ob der biologische Werdegang mich wirklich weiterbringen würde. Rückblickend bin ich jedoch sehr froh darüber, denn ich kann hierdurch besser nachvollziehen, wie die biologischen Daten, mit denen ich heute arbeite, entstehen und welche Faktoren sie beeinflussen.“

Von Selbstzweifel ins Selbstvertrauen – in die eigenen Fähigkeiten und den persönlichen Weg.

Dass sie als Frau in der MINT-Welt zur Minderheit zählt, habe sie von außen nie zu spüren bekommen – weder als Studentin, noch im Beruf.

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„Die größten Hürden habe ich mir mental selbst gesetzt. Anfangs war da der ständige Vergleich mit anderen, die bereits über mehrere Jahre Erfahrung in bestimmten Bereichen verfügten, womit ich mich selbst unter Druck setzte.“

Ähnliche Tendenzen konnte sie auch bei anderen Frauen beobachten, was ihr gezeigt habe, dass viele ähnliche Herausforderungen durchleben. „Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, Selbstvertrauen zu entwickeln, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und sich nicht von inneren Vergleichen oder gesellschaftlichen Erwartungen blockieren zu lassen.“ Um anderen jungen Frauen diese Form der Selbstzweifel zu ersparen, würde sie gerne als Mentorin tätig sein. „Während meines Masterstudiums war ich Mentee in einem Mentoringprogramm für Frauen in MINT-Bereichen (ProCareer.MINT) – eine Maßnahme an hessischen Universitäten, die mir bei meiner individuellen Entscheidungsfindung sehr geholfen hat. Gerne würde ich diesen ganzheitlichen Support und meinen persönlichen Erfahrungsschatz weitergeben und andere Frauen ermutigen, ihre Interessen konsequent zu verfolgen.“ So wünscht sie sich außerdem, dass junge Frauen in Zukunft ganz selbstverständlich jede Fachrichtung wählen und erfolgreich ihren Weg gehen – ohne dass ihr Geschlecht dabei eine Rolle spielt. Als wichtige Maßnahme erachtet sie in diesem Kontext, dass jungen Frauen bereits während der Schulzeit verschiedene MINT-Bereiche aufgezeigt werden, damit sie mögliche Interessen weiterentwickeln und Berührungsängste abbauen können. Ihr Rat lautet:

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„Es lohnt sich, verschiedene Bereiche auszuprobieren, neugierig zu bleiben und eigene Interessen zu entdecken. Wenn man auf diesem Weg einmal zweifelt oder scheitert, ist das nicht schlimm – ganz im Gegenteil: Es kann später neue Möglichkeiten eröffnen, die man vorher vielleicht gar nicht in Erwägung gezogen hätte.“

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