Die Landesinitiative zieht zum elften Mal Bilanz
Fünf neue Bündnispartner:innen, Projekte für Schülerinnen und Absolventinnen und Diskussionen zur Sicherung von Fachkräften im MINT-Bereich: Am 17. Oktober lud die Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ zum jährlich stattfindenden Bilanzgespräch und Jahrestreffen in die Räumlichkeiten der Unternehmer Baden-Württemberg e.V. ein. Der Schwerpunkt lag auf der Fragestellung: „Wie lassen sich mehr junge Frauen für MINT-Ausbildungsberufe gewinnen?“ Mit dabei waren unter anderem die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL, Sandra Boser MdL, Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, und Staatssekretärin Sabine Kurtz MdL vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
Die Teilnehmenden des 11. Bilanzgesprächs am 17. Oktober in Stuttgart. Bild: Landesinitaitive „Frauen in MINT-Berufen“
MINT-Fachkräftebedarf im Ausbildungsmarkt deutlich zu spüren
„So langsam merken wir, die Demographie wirkt!“ Mit diesen Worten begrüßte Stefan Küpper, Geschäftsführer von Politik, Bildung und Arbeitsmarkt des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, die Teilnehmenden aus Bündnispartner:innen und Politikvertreter:innen an diesem sonnigen Montagmorgen zum elften Bilanzgespräch der Landesinitiative. Die Demographie, so sagte er, führe zu Verschiebungen am Arbeitsmarkt. Verschiebungen, die ganz besonders im naturwissenschaftlichen Fachbereich zu spüren sind. „Wir brauchen mehr MINT-Fachkräfte, um den Wandel gemeinsam wuppen zu können“, appellierte Küpper an die Anwesenden. Aus diesem Grund wurde vor elf Jahren das Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“ gegründet. Einmal im Jahr lädt die Landesinitiative alle Bündnispartner:innen zu einem Bilanzgespräch ein, bei dem Fortschritte, aktuelle Entwicklungen und Handlungsbedarfe sowie im vergangenen Jahr umgesetzte Maßnahmen vorgestellt und diskutiert werden. Zudem werden neue Bündnispartner:innen aufgenommen. Das Bilanzgespräch am 17. Oktober 2022 thematisierte in diesem Jahr besonders den seit längerem auf niedrigem Niveau stagnierenden Frauenanteil in gewerblich-technischen Berufen.
Für das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus begrüßte Dr. Birgit Buschmann, Leiterin des Referats Wirtschaft und Gleichstellung und machte deutlich, wie wichtig das Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“ für die Fachkräftesicherung im Land ist. Ein Blick auf die Zahlen und Fakten zeigt: Der MINT-Fachkräftebedarf hat in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Gleichzeitig ist die Anzahl abgeschlossener Ausbildungsverträge in Baden-Württemberg im letzten Jahr deutlich zurückgegangen; im Vergleich zu 2019 ist die Zahl der weiblichen Auszubildenden im MINT-Bereich sogar um 11,5 Prozent gesunken. Wichtig seien daher niedrigschwellige, praxis- und alltagsnahe, klischeefreie und wirkungsvolle Angebote im Programmieren, Forschen und Experimentieren mit Bezug zu Ausbildungswegen und Berufsfeldern. Es gelte, junge Menschen und insbesondere junge Frauen dabei zu unterstützen, tragfähige MINT-Kompetenzen und stabile Fähigkeitsselbstkonzepte zu entwickeln. Die MINT-Fachkräftelücke gefährde Wohlstand und Innovationsfähigkeit. Deshalb müsse entlang der gesamten Bildungskette gegengesteuert werden: es müssten starke Impulse für eine bessere MINT-Bildung gesetzt, alle Talente und Potenziale erschlossen, Abbruchquoten verringert und die Kooperation auf allen Ebenen gestärkt werden. Dabei sei es besonders wichtig, die schulische und außerschulische MINT-Bildung, die berufliche und die Hochschulbildung sowie die Weiterbildung enger zu verzahnen und die Qualität und Breitenwirksamkeit zu sichern. Genau hierfür setzt sich die Landesinitiative mit der Unterstützung ihres Bündnisses ein.
Erfolgreiches Jahr mit neuen Initiativen und Formaten
Der Einsatz der mehr als 60 Bündnispartner:innen zeigt Erfolge und stimmt positiv: Dem vorgestellten, brandneuen Bilanzbericht der Landesinitiative ist zu entnehmen, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen in MINT-Berufen in Baden-Württemberg seit 2015 um 27,7 Prozent angestiegen ist, bei Männern lediglich um 6,7 Prozent. Mit einem Anteil von 18,1 Prozent sind Frauen in MINT-Berufen zwar immer noch stark unterrepräsentiert, sie sind aber eindeutig auf dem Vormarsch. Dr. Birgit Buschmann führte allerdings auch auf, dass speziell im Ausbildungsmarkt noch einiges zu tun sei. Bundesweit waren im April 2022 rund 500.000 Stellen im MINT-Bereich unbesetzt, vor allem in MINT-Facharbeiterberufen wird dabei händeringend Nachwuchs gesucht. Die Bündnisaktivitäten der Landesinitiative sollen dem entgegenwirken – und vor allem auch Bewerberinnen für die Ausbildungsberufe gewinnen.
In den Bereichen Frühkindliche Bildung, Berufs- und Studienorientierung, Übergang Schule, Ausbildung und Studium, Reduzierung des Abbruchs in Ausbildung und Studium sowie der Stärkung der beruflichen Identität und anderen übergreifenden Maßnahmen hat die Initiative 2021 und 2022 insgesamt 74 Maßnahmen umgesetzt, weitere 61 Maßnahmen sind bereits für das nächste Jahr gemeldet.
Dr. Birgit Buschmann, Leiterin des Referats Wirtschaft und Gleichstellung beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus
Vielfältige Kampagnen und Initiativen für Begeisterung im MINT-Ausbildungsmarkt
Um den Herausforderungen des Ausbildungsmarktes entgegenzusteuern, stellten die Referent:innen beim Bilanzgespräch weitere Möglichkeiten vor, um junge Frauen für eine Ausbildung im MINT-Bereich zu begeistern. Neben den bestehenden Maßnahmen des Bündnisses wurden auch neue Initiativen und Konzepte wie beispielsweise ein „MINT-Orientierungsjahr für junge Frauen“ in Baden-Württemberg ausgearbeitet, ähnlich wie das „EnterTechnik – Technisches Jahr für junge Frauen“ in Berlin.
Dieses Projekt der LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V. stellte die aus Berlin angereiste Projektleiterin Kornelia Ruppmann in ihrem Impulsreferat vor. „Junge Frauen haben keine Angst vor Technik, sondern nur das Problem, damit in Berührung zu kommen“, sagte sie. Dies sei der Grund, warum sie das technische Jahr eingeführt hätten. Mit Erfolg: Viele Teilnehmende haben durch das Jahr ihren Weg in den MINT-Bereich gefunden, viele davon in die Elektrotechnik. Die bisher 130 Vollzeitpraktikantinnen absolvierten in ihrem technischen Jahr jeweils vier Praktika in unterschiedlichen technischen Bereichen. Nahezu alle Absolventinnen zeigten sich danach begeistert und konnten ihr technisches Selbstverständnis verbessern. In der Regel folgt nach dem technischen Jahr direkt der berufliche Einstieg im teilnehmenden Betrieb.
Feierliche Aufnahme neuer Bündnispartner
Dieses Beispiel zeigt, dass das Interesse von Frauen an technischen Berufen da ist. Ein Potenzial, welches das Bündnis längst erkannt hat; es bündelt mit seiner Arbeit gezielt Kräfte und baut in gemeinsamen Initiativen die Barrieren für Frauen ab.
Unterstützung erhält die Landesinitiative in diesem Jahr von gleich fünf neuen Bündnispartner:innen: dem Deutschen Zentrum für Satellitenkommunikation DeSK e.V., der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, der Stiftung Haus der kleinen Forscher, dem Z-Lab Bruchsal sowie dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Mit einer feierlichen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde durch die Vertreter:innen sowie Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL und einem gemeinsamen Foto wurde die Aufnahme der neuen Partner:innen ins Bündnis besiegelt.
Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL mit den Vertreter:innen der neuen Bündnisparner:innen
„Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern!“
Gebündelte Kräfte sind vor allem bei der Gewinnung von weiblichen Auszubildenden in Baden-Württemberg gefragt. In einer abschließenden Podiumsdiskussion beleuchteten die Teilnehmenden um Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL; Staatssekretärin Sandra Boser MdL vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg; Dr. Susanne Koch, Geschäftsführerin operativ der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit; Stefan Küpper Geschäftsführer Politik, Bildung und Arbeitsmarkt des Arbeitgeberverband Südwestmetall; Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstag e.V. und Maren Diebel-Ebers, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirk Baden-Württemberg genau dieses Thema.
„Wir müssen Hürden abbauen, unsere Anstrengungen noch weiter ausbauen, dabei auch die Eltern mit ins Boot holen und gemeinsam daran arbeiten, Frauen zu erreichen und für technische Berufe zu gewinnen“, sagt Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut auf dem Podium. Bei dieser Meinung wird sie in der Diskussion unterstützt. Neben den Eltern spielen auch Schulen eine wichtige Rolle. Staatssekretärin Sandra Boser MdL ergänzt dazu: „Auch in Zeiten des Lehrermangels sollten wir schulische Aktivitäten steigern. Wir haben den Auftrag zu überlegen, welche schulischen und außerschulischen Maßnahmen angepasst und neu eingeführt werden sollten, damit sie für Schülerinnen wirksam sind.“ Maren Diebel-Ebers vom DGB-Bezirk Baden-Württemberg appelliert, dass die Schule ein neutraler Ort sein solle, der Freiraum für die Berufsorientierung schaffe. Auch hier sei hinsichtlich der Gleichberechtigung noch Luft nach oben. Aber auch ein Umdenken der Gesellschaft in Bezug auf den Handwerksberuf ist notwendig. „Das Handwerk wird oft mit Schmutz und Anstrengung verbunden, dabei gibt es 130 Handwerksberufe, die meisten sind wenig bekannt, und auf viele treffen diese pauschalen Aussagen überhaupt nicht zu“, sagt Rainer Reichhold vom Baden-Württembergischen Handwerkstag e.V.
Podiumsdiskussion zum Thema „Gewinnung von weiblichen Auszubildenden in Baden-Württemberg“
Hürden wie diese gilt es abzubauen und Mädchen und jungen Frauen einen einfachen Zugang zu MINT-Berufen zu ermöglichen. „Junge Leute sind sehr engagiert. Dieses Engagement müssen wir nutzen und sie direkt dort abholen. Im MINT-Bereich können sie direkt an der nachhaltigen Zukunft arbeiten“, betont Stefan Küpper. Neben dem Engagement solle auch der digitale Wandel genutzt werden, so Dr. Susanne Koch. „Wir müssen den jungen Frauen Qualifizierungen anbieten, damit sie für den MINT-Bereich bestens aufgestellt sind“, ergänzte sie.
Leidenschaft für Technik am Beispiel zweier Werkfeuerwehrfrauen
Die Denkanstöße aus der Diskussion zeigen: Es wird schon viel getan, und es bleibt auch weiterhin noch viel zu tun. Die Erfolge der bereits umgesetzten Maßnahmen der Initiative belegen, dass die Leidenschaft junger Frauen für die MINT-Bereiche geweckt werden kann. Dies zeigte auch das Video von zwei jungen Frauen, die eine Ausbildung als Werkfeuerwehrfrauen machen.
Wenn Sie noch mehr über das Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“ erfahren wollen, dann werfen Sie doch einmal einen Blick in den neuen Bilanzbericht. Sie können ihn hier direkt als barrierefreies PDF herunterladen.
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