10. Netzwerktreffen „Beteiligungsprogramm@MINT“ Künstliche Intelligenz: Innovationen und Fachkräfte von morgen

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur Technologien, sondern auch Anforderungen an die Arbeitswelt – und eröffnet zugleich neue Chancen für eine vielfältigere Zukunft. Wie können Unternehmen KI sinnvoll in ihren Arbeitsalltag integrieren, Mitarbeitende qualifizieren und insbesondere Frauen gezielt in die Entwicklung und Anwendung einbinden? Diesen Fragen widmete sich das 10. virtuelle Netzwerktreffen im Rahmen des „Beteiligungsprogramms@MINT“ am 27. Mai 2025.

Weisser Text auf orangenem Hintergrund. Dort steht: 10. MINT-Netzwerktreffen

Im Mittelpunkt standen Praxisimpulse von Unterstützerunternehmen, wissenschaftliche Erkenntnisse sowie konkrete Empfehlungen für die Gestaltung von Chancengleichheit in einer zunehmend durch KI geprägten Arbeitswelt. Wie immer bot das Treffen eine Plattform zum Austausch, zur Vernetzung und zum Kennenlernen von Best-Practice-Beispielen aus Unternehmen – mit dem Ziel, mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und langfristig zu halten.

KI-Kompetenzen als Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg

Dr. Birgit Buschmann, Leiterin des Referats Wirtschaft und Gleichstellung im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, eröffnete das Netzwerktreffen und hob die zunehmende Relevanz von KI-Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt hervor, die als Schlüsselqualifikation gelten, um Geschäftsprozesse zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Voraussetzung dafür seien ausreichend qualifizierte Fachkräfte mit KI-Kompetenzen und die Weiterbildung der Beschäftigten im Bereich der KI-Anwendungen.

Frauen im KI-Bereich weiterhin stark unterrepräsentiert

Eine Grafik, oben orange und unten grün. Darauf ist ein Bild von einer Frau mit kurzen dunkelgrauen Haaren und dem Text: Dr. Brigit Buschmann

Um die gesellschaftliche, wirtschaftliche und digitale Transformation erfolgreich zu gestalten, braucht es laut Dr. Buschmann die Vielfalt der Perspektiven und Kompetenzen – gleichermaßen von Männern und Frauen. Doch noch ist die Geschlechterverteilung im KI-Bereich deutlich unausgewogen: Laut einer Schätzung des Weltwirtschaftsforums lag der Frauenanteil unter KI-Fachkräften im Jahr 2022 weltweit bei nur 22 Prozent. Einer aktuellen Beschäftigtenbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge nutzen Frauen zudem bisher bei ihrer Arbeit deutlich seltener KI als Männer, was bestehende Geschlechterungleichheiten eher verfestigen oder gar verstärken kann. Um dem entgegenzuwirken, sollte daher auch die Aus- und Weiterbildung von Frauen im Bereich KI-Entwicklung und -Nutzung verstärkt werden, forderte Dr. Buschmann.

Vielfalt ist kein Nice-to-have, sondern ein Must-have

Wie kann es gelingen, mehr Frauen nicht nur für MINT-Berufe zu begeistern, sondern ihnen auch bei der KI-Entwicklung Geltung zu verschaffen? Dr. Buschmann nannte konkrete Maßnahmen wie die gezielte Förderung durch Mentoringprogramme, Stipendien, flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice, Job- und Top-Sharing sowie gezielte Qualifizierungsangebote für Quereinsteigerinnen. Dabei sei eine Unternehmenskultur entscheidend, die auf Chancengleichheit und Wertschätzung aller Talente basiere.

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„Vielfalt im Unternehmen macht uns nachweislich erfolgreicher und innovativer. Sie ist kein Nice-to-have, sondern ein Must-have.“

Dr. Buschmann, Leiterin des Referats Wirtschaft und Gleichstellung im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus

Gender Data Gap: Wenn Algorithmen diskriminieren

Anamaria Cristescu ist Expertin für KI und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Heilbronn. Und sie ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, dass man im KI-Bereich auch ohne MINT-Vorerfahrung – sie selbst hat einen Masterabschluss in Unternehmenskommunikation – Fuß fassen kann. Ihre Keynote zur künstlichen Intelligenz legte den Schwerpunkt auf neue Chancen für Frauen, auf Potenzialentfaltung und Strategien der Frauenrepräsentanz.

Diese Repräsentanz ist in vielerlei Hinsicht wichtig: Eine fehlende Diversität in KI-Entwicklungsteams kann reale Nachteile und teilweise gravierende Auswirkungen für Frauen haben. In der Medizin etwa können unausgewogene Datensätze zu schlechteren Behandlungsprognosen für Frauen führen. Im Recruiting werden KI-gestützte Tools häufig mit historischen, männlich dominierten Daten trainiert – mit dem Ergebnis, dass weibliche Lebensläufe systematisch benachteiligt werden.

Eine Grafik, oben orange und unten grün. Darauf ist ein Bild von einer blonden Frau mit dem Text: Annamaria Cristesco
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„Es geht nicht nur um Chancengleichheit, sondern auch um einen wirtschaftlichen Nutzen. Eine diverse KI-Entwicklung schafft Lösungen, die für mehr Menschen funktionieren.“

Anamaria Cristescu, Expertin für KI und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Systematische Barrieren und Doppelstandards

Cristescu sprach auch die hohe Drop-out-Quote von Frauen im IT-Bereich an, die bei rund 50 Prozent liegt. Dazu kommen tief verwurzelte Vorurteile und Doppelstandards: Frauen müssen ihre Kompetenzen häufiger unter Beweis stellen („Prove-it-again-Bias“), während Männer oft auf der Grundlage von Potenzial befördert werden. „Wenn Frauen 80 Prozent der Anforderungen für den Job erfüllen, wird ihnen der Rest oft nicht zugetraut – bei Männern ist das anders“, so Cristescu.

Studie zeigt Handlungsbedarf in Unternehmen

Was können Unternehmen also tun, damit die KI-Branche für Frauen attraktiv wird und auch langfristig attraktiv bleibt? Einen ersten Ansatz liefert die Studie „Frauen im Bereich Künstliche Intelligenz“, die im Auftrag des Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI) unter Mitwirkung von Anamaria Cristescu erstellt wurde. Im Rahmen der Studie wurden 13 große und mittelständische Unternehmen aus der Tech-Branche sowie 219 Frauen befragt.
Während größere Unternehmen bereits erste KI-Angebote für ihre Belegschaft schaffen, fehlen spezifische Förderprogramme für Frauen bislang fast vollständig. Die Studie, die Anamaria Cristescu im Rahmen ihrer Keynote vorstellte, liefert dazu konkrete Handlungsempfehlungen.

Strategien, KPIs und Kommunikation sind entscheidend

Konkrete Maßnahmen sind das eine, eine nachhaltige strukturelle Verankerung von Diversität das andere: „Die Führungsetage sollte sich das Ziel setzen, die Transformation zu schaffen. Mit KPIs und allem Drum und Dran. Ansonsten wird es nicht funktionieren“, erläuterte Cristescu.
Es gelte folglich, Kriterien und Strategien festzulegen, Statusanalysen durchzuführen, um dann Methoden zu entwickeln, sie umzusetzen und zu bewerten. Wichtige Hebel seien Bias-Sensibilisierung, die Überarbeitung von Recruiting-Strategien, Förderprogramme für Frauen, interne Lernplattformen, um Berührungsängste abzubauen, sowie flexible Arbeitsmodelle. „Eine der wichtigsten Stellschrauben ist die Kommunikation. Viele Unternehmen tun bereits viel – aber die Mitarbeitenden wissen nichts davon“, stellte Cristescu fest.

Neue Rahmenbedingungen ermöglichen neue Chancen

Künstliche Intelligenz verändert komplette Arbeitswelten und dadurch die Rahmenbedingungen – es entstehen neue Rollen und Chancen für die Entwicklung und Bindung von Frauen im Unternehmen. Bei der Roundtable-Diskussion sprachen die Panel-Teilnehmenden aus Forschung, Bildung und Industrie darüber, wie diese aussehen können.

Eine Grafik, oben orange und unten grün. Darauf ist ein Bild von einer Frau mit schwarzen Haaren und dem Text: Dr. Frauke Groll

Dr. Frauke Goll, Geschäftsführerin des applied AI Institute for Europe in Heilbronn, ist der festen Überzeugung, dass KI ein Bereich ist, der viele neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet – gerade für Frauen. „Themen, die vor Jahren noch schwierig zu programmieren waren, können heute durch Sprachmodelle, durch No-Code- und Low-Code-Anwendungen viel einfacher umgesetzt werden – ganz ohne IT-Studium“, so Dr. Goll.
Trotz der niedrigen Hürde gäbe es weiterhin einen Chat-GPT-Gender-Gap, da Frauen beim Ausprobieren zurückhaltender seien. Ihr Appell lautet, Mut zu haben, mit den Systemen zu interagieren, Weiterbildungsangebote zu nutzen, und einfach zu machen.

Die Relevanz von KI im betrieblichen Alltag zeigen

Neue Zugangsmöglichkeiten durch die „Demokratisierung von KI“ sieht auch Dr. Dominik Kraft, Data Scientist bei Böhringer Ingelheim. Bei den von ihm geleiteten Schulungen funktioniere praxisnahes Lernen am besten: „Das muss alles greifbar sein, also ziehen wir echte Anwendungsfälle aus dem Unternehmen heran, die zeigen, wie das Large Language Model bedient werden kann, um den Arbeitstag ein bisschen mehr zu automatisieren.“ Trainingsformate für Führungskräfte seien ebenfalls wichtig, um das Lernen als Teil der Unternehmenskultur zu verankern.
Um in der KI-Welt richtig zu sein, müsse man gar nicht den klassischen Weg gegangen sein. Was laut Dr. Kraft viel mehr zählt, ist neugierig zu sein und Fragen zu stellen.

Eine Grafik, oben orange und unten grün. Darauf ist ein Bild von einem Mann mit schwarzen kurzen Haaren und dem Text: Dr. Dominik Kraft
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„Gerade untypische Lebensläufe haben oft einen Mehrwert, weil sie neue Erfahrungen mitbringen und bestehende Denkweisen herausfordern.“

Dr. Dominik Kraft, Data Scientist bei Böhringer Ingelheim

Diversität als Business Case

Anamaria Cristescu hat ganz bewusst aufgehört, über Frauenförderung zu sprechen, wenn es um diverse Teams bei der KI-Entwicklung geht – sie stellt vielmehr die Wirtschaftlichkeit und Produktqualität in den Vordergrund: „Ich hoffe, dass Unternehmen das Potenzial, das gemischte, interdisziplinäre Teams haben, dadurch klarer erkennen. Irgendwann wird es sowieso nötig sein, dass sie sich Gedanken machen und sich transformieren.“

Bis dahin brauche es Trainings- und Awareness-Programme für alle Mitarbeitenden. Ihre Empfehlung an Frauen, die einen schnellen Zugang zur KI finden wollen, ist, mit ChatGPT und einer Schulung zum Prompt Engineering zu starten. „Das ist der erste Schritt, und spätestens dann bekommt man sowieso Lust, weiterzumachen“, so die ermutigenden Worte von Cristescu.

KI als Wettbewerbsvorteil erkennen und nutzen

Eine Grafik, oben orange und unten grün. Darauf ist ein Bild von einem Mann mit schwarz-grauen kurzen Haaren und dem Text: Thomas Maiti

Für Thomas Maiti, Eurocentral CRE-Partner, Sales Manager und Senior Specialist bei Dassault Systèmes, sollte KI als nützlicher Begleiter betrachtet werden: „Wir haben bei uns im Unternehmen eine eigene KI, die wir mit unternehmenseigenen Informationen füttern. Bei Fragen bekommen wir also Ergebnisse, die genau für unseren Bereich relevant sind.“
Die KI wird den Mitarbeitenden als Agent zur Seite gestellt und unterstützt sie dabei, sich schneller in Themen einzuarbeiten und schneller Entscheidungen zu treffen. Somit bleibt mehr Zeit für die Aufgaben, die sonst zu kurz kommen. Maitis Fazit ist:

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„KI ist ein Tool, das einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Man muss nur bereit sein und sich trauen, diesen Vorteil anzunehmen und zu sagen: ‚Okay, ich bin hier auf einer Überholspur.‘“

Thomas Maiti, Eurocentral CRE-Partner, Sales Manager und Senior Specialist bei Dassault Systèmes

Sich austauschen

Im Anschluss an die Panelrunde konnten die Teilnehmenden in Netzwerksessions mit Dr. Frauke Goll und Dr. Dominik Kraft ins Gespräch kommen und mehr über die Bandbreite unterschiedlicher KI-Weiterbildungsangebote erfahren.
Dabei wurde deutlich, dass sich der Mehrwert solcher Angebote vor allem dann zeigt, wenn sie praxisnah gestaltet sind und einen konkreten Nutzen für den Arbeitsalltag bieten. Ebenso zentral ist der persönliche Erfahrungsaustausch. „Wir befinden uns in einem Change-Prozess, in einer großen Transformation mit einer schnellen Entwicklung. Da ist es wichtig, immer wieder Impulse reinzugeben, Möglichkeiten zu schaffen, dass Mitarbeitende sich miteinander und mit dem Thema interessiert auseinandersetzen können“, unterstrich Dr. Goll.

Fazit

Die Förderung von Frauen im Bereich der künstlichen Intelligenz ist eine echte Chance für Innovation, wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Technologieentwicklung. Unternehmen und Organisationen sind jetzt gefragt, aktiv Vielfalt zu fördern und gezielte Programme zur Unterstützung von Frauen in der KI zu schaffen. Denn nur durch gemeinsames Handeln und echte Veränderungsbereitschaft kann eine inklusive und zukunftsfähige KI-Landschaft entstehen.

Erfahren Sie hier noch mehr über das Beteiligungsprogramm@MINT oder werden Sie Teil des Bündnisses der Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme bei unserem nächsten Netzwerktreffen.

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