Motorrad oder Maniküre? Am besten beides.
Dass zwei scheinbar gegensätzliche Felder wunderbar zueinander passen und sich sogar befruchten können, beweist Simone Kielbassa jeden Tag aufs Neue. Die staatlich geprüfte KFZ-Technikerin und Feinmechanikerin führt nicht nur eine Werkstatt für Motorräder, sondern auch ein eigenes Nagelstudio. Dabei hält sich die 53-jährige Althengstetterin, die in ihrer Freizeit gerne Schmorgerichte kocht, sich um ihre Katzen kümmert oder einfach nur entspannt im Netz scrollt, gern an die Devise, konsequent der Freude zu folgen.
Simone Kielbassa
KFZ-Technikerin und Feinmechanikerin
Große Begeisterung fürs KFZ – von klein auf.
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie sind Sie zu Ihrer Tätigkeit im MINT-Bereich gekommen? Gab es einen konkreten Startpunkt für Ihr Interesse am KFZ?
Simone Kielbassa: Mein Interesse für die Metallbearbeitung wurde von meinem Vater geweckt, mit dem ich bereits in frühester Kindheit stundenlang an allem Technischen bastelte. Feilen, Bohren, Fräsen, Drehen – all das faszinierte mich bereits als kleines Mädchen. Die frühe Leidenschaft für alle Tätigkeiten rund um Materialbearbeitung war es auch, die mich dazu bewog, eine Ausbildung zur Feinmechanikerin zu absolvieren. Mit meinem ersten Auto, einem Golf 1 GTi, entfaltete sich meine Schrauberleidenschaft endgültig. Gereizt hätte mich auch das Berufsbild Goldschmiedin, aber als wirkliche Alternative stand es nie zur Debatte. Nach drei Gesellenjahren schloss ich dann ein Zusatz-Studium zur staatlich geprüften KFZ-Technikerin ab. Auf meinem gesamten Weg konnte ich immer auf die Unterstützung meiner Eltern zählen. Heute stehe ich zufrieden und stolz in meiner eigenen Werkstatt für Motorräder und denke mir:
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Erzählen Sie uns gerne mehr von Ihrem Arbeitsalltag. Welche täglichen Aufgaben haben Sie als Geschäftsführerin einer Werkstatt und was macht Ihnen besonders viel Spaß?
Simone Kielbassa: Von der Buchhaltung bis zur Ablauforganisation, dem Tagesgeschäft, Reparaturen und der Kundenakquise macht mir eigentlich alles Spaß – das eine mehr, das andere weniger. Somit ist mein Tätigkeitsfeld sehr vielseitig. Ich schätze die Kombination aus Arbeit an der Materie und Kontakt mit Menschen sehr. So kümmere ich mich einerseits um die Terminierung und Durchführung von Kundengesprächen, die Angebotserstellung, Teilebestellung, Arbeitsverteilung an unsere beiden Mitarbeiter, stelle Rechnungen und übergebe Fahrzeuge. Anderseits führe ich aber auch selbst Fahrzeugendkontrollen durch und übernehme Jahresinspektionen, TÜV-Vorbereitungen sowie Prüfstandarbeiten. Dabei lasse ich meiner Kreativität freien Lauf und mag es sehr, allein oder gemeinsam im Team Lösungen für Probleme zu finden. Zufriedene Kunden bedeuten mir alles. So zeige ich mich stets bemüht, maximal kundenorientiert zu arbeiten, um ihr wertvolles Vertrauen zu wahren.
Gepflegte Nägel und laufende Motoren – mit Händen, Augen und einem klaren Kopf.
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Welche Soft- und Hard-Skills erachten Sie als für diesen Job relevant und was darf an Ihrem Arbeitsplatz nicht fehlen?
Simone Kielbassa: Ein gutes Gespür für Menschen ist entscheidend, um Kundennähe aufzubauen. Es ist sehr wichtig, gut zuhören zu können, um die Bedürfnisse des Gegenübers vollumfänglich zu erfassen. Selbstverständlich sollte man auch über ein fundiertes Fachwissen verfügen, um in der Lage zu sein, Lösungen zu erarbeiten und Zusammenhänge hinreichend zu erklären. Obwohl ein Großteil der Kunden höflich ist, gibt es überall auch schwarze Schafe – man sollte also die nötige Portion Gelassenheit mitbringen, um sich von ihnen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Um vernünftig arbeiten zu können, brauche ich auf jeden Fall drei Dinge: ein Cuttermesser, einen Kreuzschlitzschraubenzieher – und eine Tasse grünen Tee.
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Nun ist die Werkstatt ja nicht Ihr einziges berufliches Baby. Sie führen zusätzlich seit 2009 ein Nagelstudio. Beides mag auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinen. Können Sie uns Parallelen und Schnittmengen aufzeigen?
Simone Kielbassa: Die Eröffnung meines Nagelstudios war tatsächlich ein großer Meilenstein, da ich mich mit diesem Schritt in die Selbständigkeit gewagt habe, nachdem ich 13 Jahre in der Karosserieentwicklung für Daimler gearbeitet hatte. Von diesen ersten Erfahrungen konnte ich profitieren, als später die Werkstatt hinzukam. Mittlerweile investiere ich allerdings nur noch ca. 5 Prozent meiner Arbeitszeit in dieses erste Unternehmen. Um auf Parallelen zu kommen: In beiden Bereichen sind mein Kopf, meine Augen und meine Hände meine wertvollsten Ressourcen. Da ich beide Unternehmen leite, leiste ich sehr viel Organisations- und damit Kopfarbeit. Und wie ich eingangs erwähnt habe, bin ich einfach ein großer Fan von Materialbearbeitung. Auch Nageldesign, wo es um Kunststoffbearbeitung geht, gibt dieser Leidenschaft Raum, denn hier wird UV-Reaktionsharz oder eine 2-Komponente verarbeitet. Wie auch in der Werkstatt braucht es dafür Fingerspitzengefühl und einen Sinn für Stabilität und Ästhetik. Das Einzige, was sich in diesem Prozess unterscheidet, ist, dass ich im einen Fall am Menschen und im anderen an technischen Objekten arbeite. Da der menschliche Körper zu 70 Prozent aus Wasser besteht, sind bei Haftungsprozessen andere Reaktionen zu erwarten.
Mut tut Frauen gut – und wer probiert, der kann nur gewinnen.
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Kommen wir zu der Tatsache, dass Sie als Frau im MINT-Bereich immer noch in der Minderheit sind. Wie haben Sie dahingehend Ihre Ausbildung und Ihren Werdegang erlebt? Spielte Ihr Geschlecht jemals eine Rolle?
Simone Kielbassa: Nein, überhaupt nicht. Obwohl ich immer die einzige Frau gewesen bin, war mir stets die volle Akzeptanz der männlichen Kollegen gewiss. Dennoch hatte ich immer an mich selbst den Anspruch, doppelt so fleißig zu sein. Ich wollte einfach der Situation, wegen meines Geschlechts benachteiligt zu werden, proaktiv aus dem Weg gehen. Lediglich auf Kundenseite spüre ich eine Tendenz, dass sich manche eher automatisch an den männlichen Angestellten wenden. Insgesamt betrachtet, finde ich es wichtig, weniger am Geschlecht als an den Werten festzuhalten. So stehen bei mir absolute Ehrlichkeit, Offenheit den Kunden gegenüber und Preistransparenz an erster Stelle.
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, dass mehr junge Frauen das genauso sehen und erleben wie Sie und sich für eine Karriere im MINT-Bereich entscheiden? Haben Sie dazu einen Tipp?
Simone Kielbassa: Alles steht und fällt mit Mut. Ich kann jedem Mädchen und jeder Frau nur raten, zu sich selbst zu stehen und den Mut aufzubringen, den eigenen Weg konsequent zu verfolgen – gerade in jungen Jahren. Denn dann wiegt ein halbes Jahr so viel wie später sieben Jahre. „Einfach ausprobieren“ war stets meine Devise, die sich über die Jahre bewährt hat. Auch Authentizität als Wert finde ich unglaublich wichtig – trau dich, die zu sein und zu leben, die du wirklich bist.
„Es ist das schönste Geschenk, wenn man das eigene Hobby zum Beruf machen kann, sich von den eigenen Leidenschaften führen lässt und dabei immer auf sein Herz hört. Mit dieser Einstellung gibt es kein Falsch oder Richtig. Eher ärgert man sich hinterher, dass man etwas nicht versucht hat.”
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Zu guter Letzt: Möchten Sie zum Schluss des Gesprächs noch eine Geschichte oder Anekdote aus Ihrem Berufsalltag mit uns teilen?
Simone Kielbassa: Gerne. Unser Leistungsprüfstand befand sich früher in den Kellerräumen. Einer meiner Mitarbeiter fuhr gerade einen Motor auf der beweglichen Rolle ein, als ich im Erdgeschoss einer Kundin die Nägel gemacht habe. Sie fragte plötzlich, was denn hier gerade so viel Krach machen würde. Ich klärte sie darüber auf, dass momentan ein Mitarbeiter im Keller ein Motorrad einfährt. Daraufhin schaute mich die Kundin völlig perplex an, überlegte kurz und fragte dann staunend: „Wie groß ist denn euer Keller!?“ In ihrem Kopf drehte der Mitarbeiter im Keller Runden – sie wusste nicht, dass er auf der Rolle fuhr. Ich antwortete lässig: „Halb Althengstett ist von uns unterkellert.“