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Dort, wo der Neckar mit voller Kraft flussabwärts strömt, wo Wasser zu Energie wird, da fühlt sich Claudia Berger wohl. Die promovierte Ingenieurin ist am Neckar aufgewachsen und war bereits als Kind vom Wasser fasziniert. Die Liebe zu diesem Element ist auch einer der Gründe, warum sie nach dem Studium des Bauingenieurwesens nicht die klassische Baustelle in der Stadt gewählt hat – sondern in Wasserkraftwerken in ganz Baden-Württemberg tätig wurde. Seit 17 Jahren arbeitet Claudia Berger nun im Bereich Ingenieurwesen und Bautechnik beim Energiekonzern EnBW Energie Baden-Württemberg AG.

Wasserkraft ist eine „grüne“ Energiequelle

Claudia Berger steht am Wasser und schaut in die Ferne.
Wasserkraft ist zwar nicht der größte Anteil des sogenannten „grünen“ Stroms, aber dennoch bedeutend. Wie der Bundesverband Erneuerbare Energien mitteilt, ist sie eine verlässliche, speicherbare und heimische Energiequelle: Die Bewegungsenergie einer Wasserströmung wird über ein Turbinenrad in mechanische Rotationsenergie umgewandelt, die durch Generatoren Strom erzeugt.

Claudia Berger ist Expertin für Wasserkraft: Als Projekt- und Bauleiterin sowie Planerin in der Wasserkraft ist sie auf Baustellen in ganz Baden-Württemberg unterwegs – immer entlang des Wassers. Bei ihrer Arbeit plant und leitet die Ingenieurin Baumaßnahmen an den Wasserkraftanlagen des Energieunternehmens.

Vor allem die Weiterentwicklung der Wasserkraft als erneuerbare, ökologisch sinnvolle Energiequelle liegt ihr am Herzen. Die Ingenieurin ist auf der Baustelle allerdings meist die einzige Frau. Eine weitere Herausforderung: Die Mutter eines dreijährigen Sohnes bringt Beruf und Familie unter einen Hut. Wie sie das schafft, während sie an der Energieversorgung der Zukunft arbeitet, erzählt sie im Interview.

„Menschen nutzen Wasserkraft seit Jahrtausenden, und sie bewährt sich bis heute.“

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Frau Berger, in der Nähe von Wasser sind Sie in Ihrem Element. Was fasziniert Sie am Wasser und an seiner Kraft?

Claudia Berger: Seit ich ein kleines Kind gewesen bin, haben mich die Technik und die Kraft des Wassers an Wasserkraftanlagen fasziniert – sei es früher im Urlaub in Österreich, wo wir große Staumauern besichtigt haben, oder in meiner Kindheit, die ich mehr am und im Neckar als auf Spielplätzen, so wie andere Kinder, verbracht habe.

Die Wasserkraft ist eine historische Kraft, die Menschen seit Jahrtausenden nutzen. Es ist schön, zu sehen, dass diese Technik sich auch heute noch bewährt und zum europäischen Strommix beiträgt. Die Flusskraftwerke mit oder ohne Ausleitungen, Pumpspeicherkraftwerke, Dämme, Brücken, Kanäle und Fischwanderhilfen machen die Wasserkraft außerdem sehr abwechslungsreich – und damit auch meine Arbeit.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Hatten Sie bereits während Ihrer Schulzeit eine Neigung zu technischen Fächern oder entwickelte sich das erst danach?

Claudia Berger: Während der Schulzeit habe ich zwar bemerkt, dass mir Mathematik und Physik leichter als meinen Freundinnen fielen, mir aber Sprachen keinen Spaß machten – trotzdem habe ich mich nicht getraut, die naturwissenschaftlichen Fächer zu vertiefen und belegte Deutsch und Geschichte als Leistungsfächer.

„Am Unitag merkte ich, dass Bauingenieurwesen viel besser als Architektur zu mir passt.“ 

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Mit Ihrem Studium des Bauingenieurwesens haben Sie dann aber doch direkt einen technischen Berufsweg eingeschlagen. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie Ingenieurin werden wollten?

Claudia Berger: Das war erst in meinem Abiturjahr der Fall. Ich wollte mich am Unitag der Universität Stuttgart eigentlich über Architektur informieren, hatte aber auch Interesse an Archäologie und Medizin. Durch Zufall habe ich dann am Unitag vom Bauingenieurwesen erfahren und dachte mir, dass das ja viel besser als der Studiengang Architektur mit seinem hohen künstlerischen Anteil zu mir passt.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Nach Ihrem Studium sind Sie direkt bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG eingestiegen. Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Projekt- und Bauleiterin sowie Planerin in der Wasserkraft am besten?

Claudia Berger: Ich kann die Projekte oft von der ersten Idee bis zur Abschlussdokumentation durchführen. Teile der Planung mache ich selbst, ebenso die Ausschreibungen von Gutachter- und Bauleistungen. Zudem wirke ich bis zum Erhalt des Genehmigungsbescheids durch die Behörden mit. Die Bauleitung und die abschließende Dokumentation und Übergabe der Anlage an unseren Betrieb runden das Komplettpaket meines Jobs ab. Man hat somit einen Gesamtüberblick über das Projekt mit all seinen vielen Facetten. Bei Ingenieurbüros oder Baufirmen bearbeitet man oftmals nur einzelne Leistungsphasen oder Gewerke.

Claudia Berger rettet einen Aal an der Enz und setzt ihn zurück ins Wasser.
Claudia Berger rettet einen Aal an der Enz.
Claudia Berger bei Abflussmessungen am Neckar.
Zu ihrer Arbeit gehören auch Abflussmessungen an Gewässern – hier am Neckar.

„Eine wichtige Aufgabe ist es, die Wasseranlagen ökologisch auf den neuesten Stand zu bringen.“

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus? Verbringen Sie viel Zeit vor Ort auf den Baustellen oder gibt es auch Wochen, in denen Sie viel am Schreibtisch sitzen?

Claudia Berger: Das ist stark von den einzelnen Projekten abhängig. Mal gibt es Zeiten, in denen ich viel draußen bin, zum Beispiel als Bauleiterin oder für Brückenprüfungen oder Abflussmessungen. Es folgen darauf aber auch wieder Zeiten, in denen ich viel im Büro oder Homeoffice bin, um Planungen durchzuführen, Rechnungen zu prüfen, Präsentationen für Behördengespräche zu erarbeiten und Budgetthemen zu klären.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wie kann eine flächendeckende Energieversorgung mit Alternativen wie Wasserkraftwerken funktionieren, und was ist Ihre Rolle dabei?

Claudia Berger: Die Wasserkraftanlagen müssen die vorhandenen Wasserressourcen bestmöglich ausnutzen. Zudem sollten bereits bestehende Querbauwerke wie Sohlschwellen ebenfalls mit Wasserkraftanlagen ausgerüstet werden, um das CO2-freie und regionale Energiepotenzial sinnvoll auszunutzen. Das ist heutzutage wichtiger denn je. Die Wassernutzung sollte aber unter Berücksichtigung der ökologischen Anforderungen, wie z.B. dem Bau und Betrieb von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen, erfolgen. Genau hier liegt eines meiner größten Aufgabenfelder: die Wasserkraftanlagen ökologisch auf den neuesten Stand zu bringen, damit Fische und andere aquatische Lebewesen diese Hindernisse überwinden können.

„Bauingenieurinnen sind noch in der Minderheit. Ich freue mich über jede Kollegin und Studentin.“

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Vor welchen größeren Herausforderungen standen Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn bereits? Wie konnten Sie diese überwinden?

Claudia Berger: Meine größte Herausforderung war meine Promotion an der Technischen Universität Darmstadt. Ich habe sie nebenberuflich innerhalb von dreieinhalb Jahren durchgeführt, ohne meine Wochenarbeitszeit bei der EnBW zu reduzieren. Mein Arbeitgeber hat mich auf diesem Weg sehr unterstützt, insbesondere mein direkter Vorgesetzter. Freizeit gab es in dieser Zeit kaum, da ich oft bis nachts, am Wochenende und im Urlaub an der Doktorarbeit saß.

Aber auch Mutter eines dreijährigen Sohnes zu sein und in Vollzeit zu arbeiten, ist eine echte Herausforderung – und das jeden Tag. Direkt nach dem Mutterschutz bin ich in Teilzeit wieder eingestiegen; nach zweieinhalb Jahren war ich dann wieder bei Vollzeit angelangt. Dabei hilft es sehr, dass man bei der EnBW flexibel und auch im Homeoffice arbeiten kann. Trotzdem geht die berühmte Vereinbarkeit von Familie und Vollzeitjob nur, wenn sich beide Partner gleichberechtigt um Kind und Haushalt kümmern.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Noch immer sind in technischen Berufen meist deutlich weniger Frauen als Männer vertreten. Wie ist das in Ihrem beruflichen Alltag? Haben Sie mehr mit Kollegen als mit Kolleginnen zu tun?

Claudia Berger: Ja, ganz eindeutig. Wir haben zwar bereits eine Handvoll Kolleginnen, aber immer noch deutlich mehr Kollegen. Auch im Betrieb der Wasserkraft, wo der Job sehr kräftezehrend sein kann, sind nahezu nur männliche Kollegen. Vereinzelt findet man Bauingenieurinnen bei Baufirmen, Planern oder Behörden; sie sind aber auch – noch – in der Minderheit. Ich freue mich immer, wenn ich junge Kolleginnen oder Studentinnen treffe. Langsam, aber leider nur sehr langsam, werden es immer mehr Frauen.

„Macht, was ihr wollt und nicht das, was die Gesellschaft erwartet!“

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Was können oder möchten Sie jungen Mädchen und Frauen mit auf den Weg geben, die wie Sie Bauingenieurwesen studieren möchten?

Claudia Berger: Sie sollten sich die Frage stellen, was sie selbst wirklich wollen – und nicht dem folgen, was Freundinnen oder Eltern gemacht haben oder was die Gesellschaft vielleicht heute noch von Mädchen und Frauen erwartet. Wichtig ist, dass man seinen eigenen Interessen nachgeht und sich auch mal was traut. Und wenn man mal scheitert: Aufstehen, Krone richten und weiter!

Bauingenieurwesen ist ein Studiengang mit vielen verschiedenen Vertiefungsrichtungen. Da ist für jede was dabei – sei es konstruktiver Hochbau oder Tief- und Spezialtiefbau, Ingenieur- und Brückenbau, Bauleitungsfunktionen und Immobilienmanagement, Planung und Statik, Verkehrswesen, Umweltthemen und Bauphysik, nachhaltiges Bauen und Werkstoffkunde, Simulationen und höhere Mechanik, historische Bauten, Wasserbau, Verwaltungsaufgaben bei Ämtern. Das war noch nicht alles – es gibt noch vieles mehr.

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Sie haben uns einen Einblick in Ihren Beruf und Ihren Job gegeben – abschließend noch eine private Frage: Wie entspannen Sie nach einem langen Arbeitstag?

Claudia Berger: Am liebsten treffe ich mich am Abend mit Freunden oder genieße ein gutes Buch oder einen spannenden Film.

Zukunftsforscherin Maxine Benz
Über Claudia Berger:

Claudia Berger hat Bauingenieurwesen an der Universität Stuttgart studiert. Seit dem Abschluss ihres Studiums ist sie beim Energieunternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg AG im Bereich Ingenieurwesen und Bautechnik tätig. Nebenberuflich wurde sie an der Technischen Universität Darmstadt promoviert. Als Projekt- und Bauleiterin sowie Planerin in der Wasserkraft kümmert sie sich um die Wasserkraftwerke des Unternehmens. Sie steckt viel Herzblut in ihre Arbeit – und besonders in die Erzeugung von CO2-freiem Strom aus Wasserkraft.

Veröffentlicht: 07.02.2023

 

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