Lieber scheitern, als nicht versuchen: Corinas Weg zur Informatik
Vom Realschulabschluss zum Masterstudium: Corina ließ sich weder von durchschnittlichen Mathenoten noch der Meinung anderer beirren, sondern ging ihren eigenen Weg. Und auch der Zufall spielte eine wichtige Rolle – beinahe wäre sie Erzieherin geworden. Stattdessen spezialisiert sie sich jetzt an der Hochschule Aalen auf IT-Sicherheit. Eine besondere Laufbahn in der Informatik, die inspiriert.
Corina Hampel
Security Engineer
Auszeichnung für Informatikstudentinnen
An einem Montag im Oktober 2021 wurde in Dresden der 11. Zeiss Women Award verliehen. Die Auszeichnung geht an talentierte Informatikstudentinnen und würdigt die Laufbahn sowie das gesellschaftliche Engagement junger Informatikerinnen. Der Award wird von einer achtköpfigen Jury vergeben; Schirmherrin ist Elke Büdenbender, die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
In diesem Jahr geht der erste Platz an Corina Hampel. Sie ist völlig überwältigt von der Auszeichnung, sieht darin aber auch einen Auftrag für sich:
„Ich hoffe, ich werde dem Preis gerecht und kann vielleicht der ein oder anderen talentierten Frau zeigen, dass eine Informatikkarriere das Richtige für sie ist.“
Corina möchte das Vorbild sein, das ihr zu Beginn ihrer Laufbahn gefehlt hat. Mit zwölf Jahren hatte sie ihre Leidenschaft für die Informatik entdeckt und ihre erste eigene Website programmiert. Zu einer Zeit, als dafür noch HTML-Kenntnisse nötig waren. „Das Ergebnis zu sehen, was man da selbst geschaffen hatte, war ziemlich cool.“ Trotzdem wäre Corina beinahe Erzieherin geworden; sie hatte sich sogar schon beworben. „Das wäre eine Tragödie geworden, da bin ich mir sicher.“ Zum Glück kam es anders – allerdings spielte dabei der Zufall eine wichtige Rolle.

Informatik – allen Umständen zum Trotz
Nach dem Realschulabschluss stand für Corina die Frage im Raum, wie sie sich beruflich orientieren möchte. Schon damals wollte sie gerne ihrer Leidenschaft nachgehen und Informatikerin werden. Doch aus ihrem Umfeld hörte sie immer nur, dafür müsse man studieren – ohne Abitur nur schwer möglich. Dass der Weg in die Informatik nicht immer über die Uni führen muss, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. „Trotz der Berufsinfotage ging erst mal völlig an mir vorbei, dass es auch eine Ausbildung zur Fachinformatikerin gibt. Durch Zufall habe ich dann eine Ausschreibung an der Schulpinnwand entdeckt und mich sofort beworben.“
Sie bekommt die Stelle und damit die Möglichkeit, erste Erfahrungen in der Informatik zu sammeln. Nach Ende der Ausbildung arbeitet Corina noch ein Jahr in ihrem Betrieb; aber richtig zufrieden ist sie noch nicht. Sie möchte noch mehr lernen, aber ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten in der Firma sind eingeschränkt. Corina entscheidet sich, ihr Abi nachzuholen, um studieren zu können.
„Mit einem Studium, so war meine Hoffnung, lerne ich weitere Grundlagen und habe auch später mehr Möglichkeiten.“
„Ich wollte lieber scheitern, als es nicht versucht zu haben.“
Corina schafft es, sie hat ihr Abitur in der Tasche. Aber trotz ihrer Ausbildung zur Fachinformatikerin hört sie zu ihren Plänen eher skeptische Stimmen. „Meine Noten in Mathe waren nicht berauschend, und mir wurde von Informatik eher abgeraten. Aber ich wollte lieber scheitern, als es nicht versucht zu haben.“ Sie meistert die Herausforderung, ihren Bachelor absolviert sie in Regelstudienzeit. Und das, obwohl sie nebenher noch als Werkstudentin arbeitet. Sie erinnert sich gerne: „Das war teilweise eine anstrengende, aber auch sehr schöne Zeit.“
Das Bachelorstudium besteht zunächst aus vielen Grundlagen. Mathematik und Algorithmen begleiten Corina das ganze Grundstudium hindurch. Obwohl die ersten Semester für Corina sehr theoretisch waren, helfen die Grundlagen ihr jetzt bei der Anwendung. Zwischendurch arbeitet sie in Gruppen an Projekten für die Uni. Im Hauptstudium wird dieser praktische Anteil noch größer: „Im Master hatte ich nur eine einzige schriftliche Prüfung, alles andere waren Projekte und dazugehörige Ausarbeitungen.“
Informatik braucht Diversity
Schon im Studium ist Corina aufgefallen, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten. Nicht nur deswegen wünscht sie sich mehr Frauen in ihrem Berufsfeld: „Es kommt der gesamten Gesellschaft zugute, wenn die Lösungen aus der Informatik, die alle betreffen, auch von Vertreter*innen aller Gruppen entwickelt werden. Innovation braucht Ideen, und dazu brauchen wir verschiedene Perspektiven“, sagt sie. Warum gibt es trotzdem so wenig Frauen in der Informatik? Corina meint, dass die Ursachen dafür vielfältig sind.
Im Gegensatz zu Mädchen würden viele Jungs Computerspiele spielen und kämen so früh in Kontakt mit dem Thema. In der Schule geschieht das laut Corina eher auf eine falsche Art: „Wenn private Berührungspunkte fehlen und die Schule die Benutzung von Officeprodukten als Informatik verkauft, wählt man das nicht unbedingt als Beruf.“ Vor allem aber sei das veraltete Bild schuld, das viele noch von der Informatik haben. „Manche Frauen hatten in der Schule sehr gute Noten in MINT-Fächern, haben aber trotzdem Angst, von Mathe und den technischen Aspekten überfordert zu sein.“ Völliger Quatsch, wie die angehende Informatikerin meint.
In der Informatik durchstarten
Um in der Informatik erfolgreich zu sein, braucht man also nicht unbedingt immer eine Eins in Mathe. Viel wichtiger sind laut Corina andere Skills, zum Beispiel Teamfähigkeit. „Wer nicht im Team arbeiten kann oder will, wird definitiv Nachteile haben. Auch Kommunikation ist wichtig“, meint sie. Aufgaben verstehen, präzise nachfragen, sensibel erklären, und das auch auf Englisch: In der Informatik ist das Alltag. Darüber hinaus sei es wichtig, ordentlich arbeiten zu können. „Ohne die Fähigkeit, strukturiert zu arbeiten, verliert man den Überblick“, ergänzt Corina. Wer sich für ein Informatikstudium interessiert, dem empfiehlt sie, sich vorab mit Programmiersprachen und dem Betriebssystem Linux auseinanderzusetzen.
„Ich würde jemanden, der sich noch orientieren möchte, auf jeden Fall ans Herz legen, einen Programmierkurs zu machen. Das geht beispielsweise bei Hacker-School.de.“
Ein Programmierkurs für Kinder
Nicht nur im Studium, sondern auch privat möchte Corina etwas dafür tun, dass mehr Talente ihren Weg in die Informatik finden. Sie engagiert sich bei CyberMentor, einer Plattform, auf der Schülerinnen eine Mentorin für MINT-Themen zugewiesen wird. Außerdem erstellt sie gerade einen Programmierkurs für Kinder. „Ansonsten treffe ich mich ganz gerne mit Freundinnen, gerade eher online, und meine Hobbys variieren quasi dauernd. Letztens habe ich beispielsweise Makramee gelernt, mir Pflanzen in die Wohnung gestellt und angefangen, ein Bullet-Journal zu schreiben. Also habe ich jetzt viel Garn und Glitzerstifte zuhause. Und wenn mir eines dieser Sachen langweilig wird, fällt mir bestimmt etwas Neues ein.“