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Die Brennstoffzelle gilt als eine der vielversprechendsten Energiequellen. Die Physikerin und Entwicklungsingenieurin Dr.-Ing. Patricia Haremski arbeitet daran, die effiziente Nutzung für den mobilen Anwendungsbereich serienreif zu machen.

Patricia Haremski, Ingenieurin im Bereich Brennstoffzelle, sitzt mit Laptop auf dem Schoß auf einer Open Workspace-Fläche von Bosch in Renningen.

Fotos: © Robert Bosch GmbH

Wer das Wort Brennstoffzelle hört, dem kommen wahrscheinlich vor allem Diskussionen rund um die Mobilität in den Sinn. Zunächst muss man sie aber als eine Energiequelle verstehen: Sie verwandelt die chemische Energie eines Brenngases – etwa Wasserstoff – in Verbindung mit Sauerstoff in elektrische Energie. Als Antriebsmöglichkeit von Fahrzeugen wird Wasserstoff seit einiger Zeit neben der Batterie als Alternative zu Verbrennungsmotoren diskutiert. Betrachtet man die aktuellen monatlichen Neuzulassungen von Pkw in Deutschland, spielt die Brennstoffzelle scheinbar nur eine kleine Rolle: Im Juni 2021 waren es 33.420 neu zugelassene Elektroautos im Vergleich zu 37 Pkw mit Brennstoffzellenantrieb . Aber sind die beiden Technologien überhaupt in Konkurrenz zueinander zu sehen? Und gibt es nicht abseits der Mobilität auch weitere wichtige Anwendungsfelder? Diese und weitere Fragen beantwortet die Physikerin Dr.-Ing. Patricia Haremski im Interview mit der Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen. 

Die 30-Jährige ist seit Mitte 2020 als Entwicklungsingenieurin im Bereich der mobilen Brennstoffzelle bei der Robert Bosch GmbH in Stuttgart tätig. Mit ihrem Team entwickelt sie die Polymerelektrolytbrennstoffzelle zur Serienreife, die zunächst bei Nutzfahrzeugen eingesetzt werden soll. Zuvor forschte sie im Doktorandenprogramm des Unternehmens an der Lebensdauer stationärer Brennstoffzellen mit dem Ziel, sie haltbarer und effizienter zu machen.

Wasserstoff zu tanken dauert nur wenige Minuten

Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Wo liegen die Chancen des Brennstoffzellenantriebs für die Mobilität? Weshalb spielt die Brennstoffzelle vor allem für Lkw eine Rolle, und wo liegen hier die Vorteile im Vergleich zur Batterie?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Um eine klimaneutrale Mobilität zu ermöglichen, wird es in Zukunft einen Antriebsmix geben, wobei Batterie- und Brennstoffzellenantrieb beide einen Teil davon darstellen werden. Die unterschiedlichen Technologien stehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich.

Der Vorteil des Brennstoffzellenantriebs kommt vor allem bei Anwendungen zur Geltung, in denen Reichweite und gleichzeitig hohe Lasten eine Rolle spielen. Die Brennstoffzelle ist damit besonders für den Fernverkehr interessant. Ist der Tank leer, kann der Wasserstoff, wie bei einem Diesel oder Benziner, in wenigen Minuten nachgefüllt werden. Wird dabei der Wasserstoff regenerativ erzeugt, arbeitet der Brennstoffzellenantrieb klimaneutral. Die CO2-Bilanz ist gerade bei großen, schweren Fahrzeugen besser als beim rein batterieelektrischen Antrieb, wenn man den CO2-Ausstoß für Produktion, Betrieb und Entsorgung zusammenrechnet. Wir entwickeln den Brennstoffzellenantrieb zunächst mit Fokus auf Lkws, da diese einfacher in der Erstanwendung sind: Es gibt feste Routen, geschulte Fahrer, und das Tanken ist planbarer. Wir glauben aber, dass ausgehend von den Nutzfahrzeugen in Zukunft auch vermehrt Brennstoffzellenantriebe in Pkws zum Einsatz kommen werden.

Die Technologie funktioniert – jetzt müssen Kosten reduziert und die Lebensdauer erhöht werden

L. F. i. M.-B.: Die Brennstoffzelle kann in mobilen und stationären Anwendungen als Energiequelle genutzt werden. Worin liegt der Unterschied, und welche Anwendungsfelder sind schon heute voll entwickelt, welche müssen noch erforscht werden?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Je nach Einsatzgebiet werden unterschiedliche Arten von Brennstoffzellen eingesetzt. Bei mobilen Anwendungen kommt eine Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEM-FC) zum Einsatz, während für stationäre Anwendungen die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) in Frage kommt. Wie der Name der beiden Brennstoffzellen schon vermuten lässt, werden unterschiedliche Materialien verwendet, die weiderum unterschiedliche Temperaturen benötigen. Weitere Unterschiede liegen in den Einsatzzeiten und den Dynamikanforderungen, wodurch sich verschiedene Anwendungsfelder ergeben. Die SOFC im stationären Bereich soll in Form kleiner dezentraler Kraftwerke Strom erzeugen, beispielsweise für Mehrfamilienhäuser, Rechenzentren und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Die PEM-FC im mobilen Bereich soll als Brennstoffzellenantrieb für Fahrzeuge genutzt werden. Im Prinzip funktioniert die Brennstoffzellen-Technologie heute schon. Jetzt geht es darum, einerseits die Kosten zu senken – Stichwort Industrialisierung – und andererseits die Lebensdauer deutlich zu erhöhen, indem die Mikrostruktur optimiert wird, ohne dass die Kosten wieder in die Höhe schießen.

„Als Physikerin beschäftige ich mich mit vielfältigen Themenbereichen und verschiedenen Forschungsgebieten.“

L. F. i. M.-B.: Haben Sie ein persönliches Forschungsziel, das Sie als Entwicklungsingenieurin erreichen möchten?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Durch den lokal emissionsfreien Betrieb wird die Brennstoffzelle in Zukunft einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz liefern. Dafür muss sie jedoch serienreif werden. Eine der großen Herausforderungen in meinen Augen – neben den hohen Kosten – stellt die schnelle Alterung der Mikrostruktur der Brennstoffzelle dar. Als Physikerin ist es mein persönliches Ziel, die kritischen Alterungsmechanismen und ihr komplexes Zusammenspiel zu untersuchen und zu verstehen. Damit wird es uns möglich sein, eine optimierte Mikrostruktur der Brennstoffzelle abzuleiten, um in Zukunft eine deutlich höhere Lebensdauer zu erreichen.

L. F. i. M.-B.: Was hat Sie an der Physik interessiert, und wie kamen Sie zur Spezialisierung im Bereich Brennstoffzelle?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Für mich ist das Spannende an der Physik, dass sie sich mit grundlegenden Phänomenen der Natur befasst und sehr breit aufgestellt ist. Durch das Physikstudium bekommt man Einblicke in sehr viele unterschiedliche Bereiche – Elektromagnetismus, Optik, Halbleiterphysik, Thermodynamik und viele andere spannende Gebiete. Das Physikstudium hat mir gezeigt, dass man immer offen für Neues sein sollte, denn sonst entgeht einem womöglich ein interessantes Forschungsgebiet. Für meine Abschlussarbeiten habe ich aus diesem Grund immer komplett neue Themenfelder gewählt, angefangen mit organischen Kristallen während der Bachelorarbeit, dem Quanten-Hall-Effekt während der Masterarbeit und der stationären Brennstoffzelle während der Doktorarbeit.

Patricia Haremski, Ingenieurin im Bereich Brennstoffzelle, steht im Labor und trägt einen weißen Kittel.
Patricia Haremski, Ingenieurin im Bereich Brennstoffzelle, steht im Labor und hält ein Präparat für eine Brennstoffzelle in der Hand.

Fotos: © Robert Bosch GmbH

„Wenn ich etwas anfange, ziehe ich es bis zum Ende durch!“

L. F. i. M.-B.: Mit 29 Jahren hatten Sie schon in einem relativ jungen Alter Ihre Promotion abgeschlossen und zudem im Laufe Ihrer Karriere schon einige Auszeichnungen und Stipendien erhalten – etwa das Stipendium der Studienstiftung oder den Ferry-Porsche-Preis für herausragende Leistungen in Mathematik und Physik. Was motivierte Sie damals und heute zu diesen Leistungen? Gab es besondere Vorbilder, die Sie inspiriert haben?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Ich bin schon immer ein ehrgeiziger Mensch gewesen. Wenn mich etwas interessiert hat, dann wollte ich das auch unbedingt verstehen. Ich habe mich mit meinen Physik- und Mathe-Lehrern zum Teil noch nach dem Unterricht oder später an der Uni mit meinen Kommilitonen so lange ausgetauscht, bis ich ein Thema verstanden hatte. Das Ganze hat mir Spaß gemacht, und deswegen war ich auch so motiviert! Ich bin jemand, der es bis zum Ende durchzieht, wenn er etwas angefangen hat – natürlich mit einem Ziel vor Augen, sei es das Abitur, der Studienabschluss oder die Promotion. An ein besonderes Vorbild kann ich mich nicht wirklich erinnern. Aber neben den großen Namen der Wissenschaft wie Albert Einstein, Max Planck, usw. ist es doch schön zu hören, dass es auch Wissenschaftlerinnen wie Marie Curie gab. Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft mehr solcher weiblicher Vorbilder in den Naturwissenschaften geben wird.

Der Forschungscampus ist die optimale Kombination aus Industrie und Forschung

L. F. i. M.-B.: Weshalb entschieden Sie sich für die Forschung und später für eine Promotion in der Industrie?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Die Grundlagenforschung ist und bleibt für mich ein super spannendes Gebiet, das die Bausteine für zukünftige Technologien und Innovationen legt. Während des Studiums war für mich schon immer klar gewesen, dass ich promovieren möchte. Mich drei bis vier Jahre intensiv mit einer wissenschaftlichen Fragestellung zu beschäftigen und selbstständig entscheiden zu können, welche Experimente ich wie durchführen möchte, war für mich als Wissenschaftlerin eine tolle Vorstellung. Während meiner Zeit am Max-Planck-Institut als Masterandin und später als Wissenschaftlerin, in der ich an einem grundlegend physikalischen Thema – dem Quanten-Hall-Effekt – geforscht habe, war ich neugierig, ob Forschung in der Industrie auch für mich spannend sein könnte.

Die Industrie hatte ich bis dahin noch nicht kennengelernt, und somit habe ich mich auf die Suche gemacht. Mein Anspruch war, dass ich die Ergebnisse der Arbeit direkter in der Anwendung sehen könnte, ohne dass mein wissenschaftlicher Anspruch an die Arbeit darunter leiden müsste.  Der Forschungscampus von Bosch in Renningen stellt für mich die optimale Kombination aus Forschung und Industrie dar: 1300 Forschungsingenieure, darunter 300 Doktoranden, die an wissenschaftlichen, aber auch anwendungsorientierten Themen forschen und mit denen man sich austauschen kann. Dazu kam das spannende und für mich neue Thema Brennstoffzelle. Ich habe nicht lange gezögert und die Promotionsstelle bei Bosch angenommen. Das Tolle an meiner Doktorarbeit war, dass das Thema immer noch sehr grundlegende wissenschaftliche Fragestellungen umfasst hat und ich dennoch schon den Alltag und die Themen in der Industrie kennenlernen konnte. Für mich also eine Win-Win-Situation. 

Der geringe Frauenanteil bietet die Chance, herauszustechen

L. F. i. M.-B.: Wie erleben Sie persönlich den Mangel an Frauen in MINT-Berufen, und wie sieht es diesbezüglich auf Ihrem Entwicklungsgebiet aus?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: In vielen MINT-Fächern haben wir immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Das habe ich auch im Physikstudium gemerkt, als wir Frauen nur etwa 10 – 15 % der Physikstudenten im Jahrgang ausmachten. Ich fand das persönlich aber nie schlimm, eher im Gegenteil sogar. Das gibt einem die Chance, dass man stärker heraussticht und sich die Studenten und Professoren besser an einen erinnern. Man darf sich als Frau nicht davon abschrecken lassen. Ich hatte immer das Gefühl, fachlich ernst genommen zu werden und auf gleicher Höhe mit meinen männlichen Kommilitonen zu diskutieren. Auf meinem jetzigen Forschungsgebiet gibt es zwar auch mehr Männer als Frauen, aber in meinem engsten Arbeitskreis sind wir Frauen sogar zu fast 50 % vertreten. Ich denke, die Entwicklung geht in die richtige Richtung, dass sich mehr Frauen für eine MINT-Disziplin entscheiden. Aber es ist ein langsamer Prozess. Wichtig ist, dass wir es in Zukunft schaffen, jungen Mädchen die Unsicherheit zu nehmen, die sich nicht trauen, ein MINT-Fach zu studieren, obwohl es ihnen Spaß macht.

L. F. i. M.-B.: Welche Qualitäten und Interessen sollten junge Menschen – insbesondere Frauen – mitbringen, die in Physik und Forschung arbeiten möchten?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Das Wichtigste ist die Neugierde, wie Natur und Technik funktionieren! Eine mathematische und naturwissenschaftliche Affinität ist hilfreich, aber nicht unbedingt entscheidend. Für mich ähneln wissenschaftliche Fragestellungen in der Forschung häufig einem Detektivspiel:  Es tauchen Probleme oder Ungereimtheiten im Labor auf, und ich versuche mit logischem und systematischem Vorgehen, diese zu lösen. Ich sehe das auch nicht als Problem an, sondern eher als Herausforderung, die ich lösen kann, wenn ich den richtigen Weg gefunden habe. So macht das Ganze natürlich mehr Spaß!  Man sollte auch bedenken, dass es häufig nicht nur einen Weg gibt, sondern mehrere Möglichkeiten, wie man an solche Fragestellungen herangehen kann. Ich denke, dass es deshalb für unsere zukünftigen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wichtig ist, stets offen für neue Ideen zu sein und ein gewisses Durchhaltevermögen mitzubringen, wenn es doch mal länger dauert, eine wissenschaftliche Fragestellung zu beantworten.

Mit Spaß am Experimentieren kommt das Interesse von ganz allein

L. F. i. M.-B.: Denken Sie, es gibt bestimmte Stellschrauben, die helfen könnten, mehr Mädchen für das Fach Physik zu faszinieren? Was brachte bei Ihnen den Funken zum Überspringen?

Dr.-Ing. Patricia Haremski: Ich hatte in der Schule schon immer viele Interessen und wusste lange Zeit nicht, was ich später beruflich machen möchte. Erst in der zehnten Klasse hat sich bei mir das Interesse für Naturwissenschaften gefestigt. Davor habe ich mich vor allem für Sprachen interessiert – Französisch, Englisch, Italienisch. In der Zehnten dann hatte ich einen tollen Physiklehrer, der die Neugier für die Physik in mir geweckt hat. Seitdem wusste ich, in welche Richtung es gehen soll. Ich denke, es ist wichtig, den Mädchen schon früh den Spaß an Experimenten zu zeigen. Damit kommt das Interesse für Naturwissenschaften von ganz allein, und die Unsicherheit, dass man das als Mädchen nicht schaffen kann, kann frühzeitig abgebaut werden. Als ich in der achten Klasse das erste Mal Physik und Chemie hatte, konnte ich damit noch nicht viel anfangen, da ich das davor gar nicht kannte! Ich denke, man kann schon in der Grundschule und sogar im Kindergarten mit einfachen Experimenten, Knobelaufgaben oder Ausflügen in technisch-naturwissenschaftliche Museen wie das Experimenta in Heilbronn oder das Technorama in Winterthur dieses spannende Gebiet den Mädchen aufzeigen. Mit mehr weiblichen Lehrkräften in den Naturwissenschaften würde man zudem den Mädchen die Unsicherheit nehmen und Vorbilder schaffen.

Wir bedanken uns bei Dr.-Ing. Patricia Haremski für das Gespräch und wünschen alles Gute für die nächsten Projekte.

Porträtfoto von Patricia Haremski, Ingenieurin im Bereich Brennstoffzelle.

Fotos: © Robert Bosch GmbH

Infos zu Dr.-Ing. Patricia Haremski:

Dr.-Ing. Patricia Haremski, Jahrgang 1991, studierte an der Universität Stuttgart Physik im Bachelor und im Master. Den beruflichen Einstieg machte sie 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung. Ab 2017 war sie Doktorandin in der zentralen Forschung bei der Robert Bosch GmbH in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie. Im November 2020 verteidigte sie ihre Dissertation erfolgreich und erlangte damit den akademischen Grad der Doktorin der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.). Seit Juni 2020 ist sie als Entwicklungsingenieurin im Bereich Brennstoffzelle bei der Robert Bosch GmbH tätig. Während ihrer Schulzeit wurde ihr der Ferry-Porsche-Preis verliehen, eine Auszeichnung für herausragende Leistungen in den Fächern Mathematik und Physik in der Oberstufe. 2014 war sie zudem Stipendiatin der „Studienstiftung des deutschen Volkes“.

Veröffentlicht: 30.09.2021

 

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