Das gemeinnützige Start-up App Camps der Informatikerin Dr. Diana Knodel bringt Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zum Programmieren
Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig digitale Kompetenzen für Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte sind, um mit der modernen Welt Schritt zu halten: Wer heute an der Gesellschaft teilhaben und sie mitgestalten möchte, braucht digitale Kompetenzen, und das wird in Zukunft noch verstärkt gelten!
Dr. Diana Knodel ist promovierte Informatikerin und hat gemeinsam mit ihrem Mann App Camps gegründet – eine Plattform mit kostenlosem Unterrichtsmaterial, das Begeisterung für digitale Themen schaffen und zur Beschäftigung mit Technik und Informatik anregen soll. Mit dem von der baden-württembergischen Vector Stiftung geförderten Projekt sollen Kinder lernen, digitale Produkte nicht nur zu nutzen, sondern auch zu verstehen, wie sie entstehen und funktionieren.
Die Materialien von App Camps kommen nicht nur bei außerschulischen Veranstaltungen zum Einsatz, sondern auch direkt im Unterricht ab Klassenstufe 3 bis zur Oberstufe. Der Vorteil dabei: die Schülerinnen und Schüler kommen aus allen Teilen der Gesellschaft. Damit unterstützt Dr. Diana Knodels Kinderförderung die soziale Teilhabe und Gerechtigkeit, und damit auch die Grundlagen für eine funktionierende und zukunftstaugliche Gesellschaft. Bei App Camps werden aber nicht nur Schülerinnen und Schüler ausgebildet, sondern auch das Lehrpersonal erhält Weiterbildungen und unzählige Materialien für den Unterricht. Außerdem ist Dr. Diana Knodel Co-Autorin zweier Informatik-Lehrbücher, mit denen Kinder und Jugendliche spielerisch an das Coding herangeführt werden und lernen, eigene Spiele zu programmieren. Im Interview mit der Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen gibt uns Dr. Diana Knodel einen Einblick in ihr gemeinnütziges Projekt und berichtet über ihre Erfahrungen in der Informatikbranche.
Informatik ist überall
Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen: Frau Dr. Knodel, Sie haben die gemeinnützige Organisation App Camps geschaffen, in der Sie Kindern und Jugendlichen, aber auch Lehrkräften ein Verständnis von Informatik näherbringen. Warum sind aus Ihrer Sicht Informatik und Programmieren heutzutage wichtig für Kinder und Jugendliche?
Dr. Diana Knodel: Wir sind umgeben von digitalen Tools, sozialen Medien und Technik. Informatik steckt in so vielen Bereichen, die unser Leben, unsere Arbeit und unseren Alltag beeinflussen. Mein Mann und ich finden es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance erhalten, Einblicke in Informatikthemen zu bekommen. Dadurch können sie diese Dinge besser verstehen und einordnen.
L. F. i. M.-B.: Ob „App Camps“ weiterentwickeln oder Bücher schreiben – Sie setzen viele Projekte im Team mit Ihrem Mann um – wer hat wen mit der Informatik angesteckt, oder haben Sie sich schon mit den gleichen Interessen kennengelernt?
Dr. Diana Knodel: Ich bin Informatikerin und mein Mann Sozialwissenschaftler (Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Bildungspolitik). Das Interesse für Bildung und Technologie hat zu den gemeinsamen Projekten bzw. Unternehmen geführt. Neben App Camps gründeten wir 2018 außerdem die digitale Weiterbildungsplattform für Lehrkräfte, gemeinsam mit Theresa Grotendorst. Zum Thema „Wer hat wen angesteckt?“: Tatsächlich hat mein Mann auf einem Hackathon in San Francisco, bei dem ich als Teilnehmerin dabei war, Programmieren gelernt. Es wurde ein Workshop angeboten, und er hat mitgemacht. Danach war er angefixt und hat meine Begeisterung für das Programmieren noch besser verstanden.
Bild: Dr. Diana Knodel mit ihrem Mann Dr. Phillip Knodel. Gemeinsam haben sie das Start-up App Camps gegründet. © App Camps
„Unsere Unterrichtsmaterialien für Informatik erreichen jährlich über 300.000 Schülerinnen und Schüler.“
L. F. i. M.-B.: Wie ist bei Ihnen die Idee entstanden, App Camps zur Kinderförderung zu entwickeln? Können Sie uns kurz etwas über den Start des Projekts, die Entwicklung und Veränderungen im Lauf der Zeit berichten?
Dr. Diana Knodel: Gestartet sind wir 2013 mit einem viertägigen Sommerferien-Camp für Mädchen zum Thema App-Entwicklung. Das App Summer Camp. Damals gab es nur wenig Angebote für Kinder zu den Themenbereichen Technik und Informatik. Unser App Summer Camp kam unglaublich gut an, nicht nur bei den Teilnehmerinnen, sondern auch in der Presse. Es gab viel Berichterstattung über das Camp, zum Beispiel auch in den Kindernachrichten Logo. Nach dem App Summer Camp bekamen wir immer mehr Anfragen und merkten schnell, dass in diesem Bereich ein großer Bedarf besteht. Damit mein Mann und ich nicht immer bei den Workshops dabei sein mussten, entschieden wir uns schnell dazu, unsere erstellten Workshopmaterialien für Lehrkräfte aufzubereiten. Damit können diese die Workshops selbst im Unterricht durchführen. Das wurde dankend angenommen, und mittlerweile erreichen wir mit unseren digitalen Unterrichtsmaterialien auf unserer Plattform appcamps.de statt zwölf Schülerinnen im Jahr 2013 jährlich über 300.000 Schülerinnen und Schüler.
Die Workshops geben wir immer noch, zum Beispiel im Rahmen der Code Week, die jedes Jahr im Herbst stattfindet. Aber schwerpunktmäßig entwickeln wir mittlerweile digitale Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte und Schulen. Es entstehen auch neue Projektideen: Vor kurzem haben wir die Class Chats gestartet. Hier bringen wir Personen mit MINT-Hintergrund für ein Gespräch mit Schülerinnen und Schülern virtuell ins Klassenzimmer.
„In Baden-Württemberg haben wir besonders viele Lehrkräfte, die unsere Unterlagen nutzen.“
L.F. i. M.-B.: Wo kommt das Material am häufigsten zum Einsatz? Wie ist das Feedback aus den Schulen?
Die Ufnterrichtsmaterialien sind in allen Bundesländern, aber auch in Österreich, der Schweiz und in deutschen Schulen im Ausland im Einsatz. Das freut uns natürlich sehr. Durch ein gemeinsames Projekt mit der Vector Stiftung mit Sitz in Stuttgart haben wir in Baden-Württemberg besonders viele Lehrkräfte, die unsere Unterlagen nutzen. Wir haben passend zum baden-württembergischen Lehrplan für Klasse 7 und 8 Unterlagen entwickelt, damit Lehrkräfte dort den Aufbaukurs Informatik in Klasse 7 bzw. Informatik in Klasse 8 unterrichten können. Diese Unterlagen können und werden natürlich auch in anderen Bundesländern genutzt. Außerdem arbeiten wir eng mit der Hopp Foundation (mit Sitz in Weinheim) zusammen und bieten Präsenz-Workshops und Webinare zu verschiedenen Themen an. Das sind unter anderem Informatische Grundbildung, Künstliche Intelligenz, aber auch Appentwicklung oder Spieleprogrammierung.
L. F. i. M.-B.: Ihre Angebote richten sich ja nicht nur an Schülerinnen und Schüler, sondern auch an Lehrkräfte. Welche der beiden Gruppen ist schwieriger zu erreichen – und welche Unterschiede stellen Sie im Lernverhalten fest?
Dr. Diana Knodel: Nur zu Beginn richteten wir unser Angebot direkt an Schülerinnen und Schüler. Heute bieten wir das nur noch vereinzelt an, wie beispielsweise bei der Code Week. Mit unseren Unterlagen wenden wir uns gezielt an Lehrkräfte, die Informatik oder verwandte Themen unterrichten. Über die Lehrkräfte erreichen wir dann indirekt viele Schülerinnen und Schüler. Anfangs, als es noch deutlich weniger Informatikunterricht in den Schulen gab, war es natürlich schwieriger, die Lehrkräfte zu erreichen. Mittlerweile wird zum Glück immer mehr Informatik in den Schulen unterrichtet. Inzwischen sind wir bei der Zielgruppe bekannt und haben jeden Monat mehrere tausend Lehrkräfte, die unsere Unterlagen einsetzen.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Angebote und Initiativen für junge Programmiererinnen und Programmierer
L.F. i. M.-B.: Konnten Sie Ihre Begeisterung für Informatik auch an die eigenen Kinder weitergeben, oder interessieren die sich für andere Themenfelder?
Dr. Diana Knodel: Mit unserem neunjährigen Sohn habe ich schon mal mit Scratch (visuelle Programmiersprache für Kinder und Jugendliche, Anm. der Red.) gearbeitet. Das macht ihm, wie den meisten Kindern, viel Spaß, er hat aber auch viele andere Interessen. Ich bin gespannt, welche Schwerpunkte unsere Kinder später setzen. Ich selbst habe auch erst im Studium mit dem Programmieren angefangen. Es heißt daher nicht, dass man schon als Kind ein Programmierprofi sein muss, um in der Informatik erfolgreich zu sein.
L.F. i. M.-B.: Was würden Sie einem interessierten jungen Menschen raten, wie sie oder er mit Coding beginnen kann, wenn es in der Schule keinen Unterrichtsstoff dazu gibt?
Dr. Diana Knodel: Da würde ich auf die vielen großartigen Angebote und Initiativen verweisen, die Informatik thematisieren. Eine gute Anlaufstelle ist immer die Code Week im Oktober. In der Woche finden junge Leute an vielen Orten Angebote rund um das Thema Informatik. Zahlreiche Bibliotheken haben auch ganzjährig tolle Angebote. Und dann gibt es auch Bücher zum Thema Informatik und Coding. Wir haben zwei geschrieben, aber es gibt natürlich noch viel mehr Literatur rund ums Programmieren.
Bild: © App Camps
„Mich haben das Internet und die Möglichkeiten, darüber zu kommunizieren, sehr fasziniert.“
L. F. i. M.-B.: Welche Qualitäten und Interessen sollten junge Menschen – insbesondere Frauen – mitbringen, die im Informatikbereich arbeiten möchten?
Dr. Diana Knodel: Analytisches Denken, Problemlösefähigkeit und Kreativität finde ich wichtig – für Frauen und Männer. Und Durchhaltevermögen. Beim Programmieren macht man ständig Fehler, das gehört dazu. Die Fehler muss man suchen und finden. Wenn der Code dann endlich funktioniert, dann ist das ein super Erfolgserlebnis.
L. F. i. M.-B.: Früher gab es solche Angebote ja eher nicht – wie kamen Sie persönlich zur Informatik?
Dr. Diana Knodel: Ich hatte tatsächlich keinen Informatikunterricht in der Schule und habe erst im Studium damit begonnen. Ich studierte Informatik beziehungsweise Medien-Informatik. Mich haben das Internet und die Möglichkeiten, darüber zu kommunizieren, sehr fasziniert. Erst während des Studiums merkte ich dann, was für tolle Möglichkeiten man mit Programmierkenntnissen hat. Jeder und jede kann so einfach und unkompliziert digitale Produkte entwickeln. Sogar ganze Unternehmen können mit einem digitalen Produkt gegründet werden.
L. F. i. M.-B.: Haben Sie bei Ihren Veranstaltungen den Eindruck, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich an technische Aufgabenstellungen herangehen?
Dr. Diana Knodel: Bei jüngeren Kindern (Grundschule) stelle ich keine Unterschiede fest. Alle sind neugierig und wollen Dinge ausprobieren. Es gibt immer einzelne Kinder, die schon viel Vorwissen mitbringen. Je älter die Kinder werden, desto mehr erkennt man, wer sich viel mit Computern oder Programmierung beschäftigt, und wer eher andere Interessen hat. Das hat für mich aber erst einmal nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit den Vorkenntnissen, die jemand mitbringt.
„Informatik ist ganz klar Teamarbeit. Kaum jemand arbeitet für sich allein.“
L. F. i. M.-B.: Würden Sie sagen, die Informatik ist – ganz klischeehaft – ein Feld für Einzelgänger, oder kann man durchaus auch Teamerfahrungen machen?
Dr. Diana Knodel: Es geht ganz klar um Teamarbeit. Kaum jemand in der Informatik arbeitet für sich allein. Natürlich gibt es Phasen, in denen man konzentriert an einem Problem tüftelt, und das vielleicht auch lieber allein für sich. Aber grundsätzlich ist Teamarbeit in der Informatik sehr wichtig. Häufig wird auch sogenanntes Pair Programming praktiziert, das bedeutet, zwei Personen arbeiten gemeinsam an einem Bildschirm. Das ist eine gute Möglichkeit, um voneinander zu lernen und mehr miteinander zu kommunizieren. Und natürlich macht man dabei auch weniger Fehler, weil vier Augen mehr sehen als zwei.
L. F. i. M.-B.: Glauben Sie, es könnte die Gefahr bestehen, dass aus der heutigen Jugend so viel Nachwuchs in den Informatikbereich strebt, dass der Markt überläuft und es nicht für alle genug zu tun gibt?
Dr. Diana Knodel: Diese Gefahr sehe ich ganz und gar nicht! Mit Informatikkenntnissen kann man in allen Branchen arbeiten, überall werden Personen mit IT-Wissen gesucht. Das wird sich in den nächsten Jahren eher noch verstärken. Wer einen Job sucht, mit dem man viele verschiedene Dinge machen kann, und in unterschiedlichen Bereichen arbeiten kann, dem würde ich eine Ausbildung oder ein Studium in der Informatik empfehlen. Das Gute an der Informatik ist, dass man sie wunderbar auch mit anderen Themen, die einen interessieren, kombinieren kann. Es gibt Bioinformatik, Medieninformatik, Wirtschaftsinformatik, Medizininformatik und viele weitere Kombinationen.
Bild: © App Camps
„Heute erreichen wir über 300.000 Schülerinnen und Schüler, das hätten wir vor sieben Jahren sicher nicht gedacht.“
L. F. i. M.-B.: Zum Abschluss möchten wir Sie um eine besonders schöne oder denkwürdige Anekdote aus den Jahren mit App Camps bitten – gibt es etwas, was Sie mit uns teilen möchten?
Dr. Diana Knodel: Eine einzelne Anekdote auszuwählen, ist gar nicht so einfach. Wir haben App Camps vor sieben Jahren gegründet, und in der Zeit ist so viel passiert. Vieles ist anders gekommen, als wir es uns ursprünglich vorgestellt hatten. Anfangs haben wir viele Workshops gegeben, heute entwickeln wir vor allem Unterrichtsmaterialien, die an tausenden von Schulen genutzt werden. Dass wir damit jährlich über 300.000 Schülerinnen und Schüler erreichen, das hätten wir vor sieben Jahren sicherlich nicht gedacht. Und wer weiß, wo die Reise noch hingeht, und was wir in sieben Jahren machen. Ich freu mich jedenfalls sehr darauf!
Wir bedanken uns bei Dr. Diana Knodel für das Gespräch und wünschen ihr alles Gute!
Bild: © App Camps
Infos zu Dr. Diana Knodel
Dr. Diana Knodel hat Informatik mit Schwerpunkt Psychologie studiert und nach ihrer Promotion in verschiedenen Rollen in Wissenschaft und Wirtschaft gearbeitet. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die Informatik-Kinderförderung App Camps gegründet, die von der baden-württembergischen Vector Stiftung unterstützt wird – eine der vielen Bündnispartnerinnen der Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen. Zudem hat das Unternehmerpaar zwei Bücher zum Programmieren lernen verfasst. Diana Knodel lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Veröffentlicht: 20.12.2021
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- Die Daimler Digitalisierungs-Chefin Sabine Scheunert über Veränderung in der Automobilindustrie, neue Geschäftsmodelle und Wege zum Erfolg
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